Was kann als Dokument gelten, was wird man als Voyeurismus sehen müssen? Wie verhält sich der Autor bezüglich seiner Aufgabenstellung. Nur zu oft ist die Frage für Bildautoren und Textautoren entstanden, wie sie sich menschlichem Elend und Ausbeutung gegenüber verhalten könnten und was zu transportieren Sinn macht und warum. Für den Kriegsfotografen ist die Kamera wie ein Schutzschild für die Seele, der Sohn und Textautor tritt seinem Vater aber auch sehr nahe bezüglich seiner Intentionen und seinem Selbstbild im Angesicht des Todes. Ist das alles nun schon Voyeurismus oder doch ein ergreifendes Dokument  der Möglichkeiten und Zwänge in denen Menschen leben?

Eine ganz andere Fragestellung zu Dokument ergibt sich bei "Deutschlandschaft", dem Beitrag zur Architekturbiennale in Venedig 2004, im deutschen Pavillon. Konkrete Bauten von deutschen Architekten wurden in eine konkrete deutsche Landschaft gestellt, allerdings stimmen Ort und Zeit nicht zusammen, das Ambiente ist einerseits virtuell, andererseits visionär, beziehungsweise vorausschauend, nicht unbedingt positiv, es geht aber um Information, die man noch dazu durch kleine Gucklöcher in der geschwungenen Landschaftsfassade in Erfahrung bringen konnte. Nicht zuletzt saß man dann auch mittendrin, was auch nicht der Aussagekraft entbehrt. Darüber hinaus könnte man das Phänomen der Landschaftsverhüttelung (auch wenn es teils mit attraktiver Architektur geschieht, das Phänomen der Stadt ohne Zentrum, auch als eine keineswegs nur Deutschland betreffende Entwicklung sehen.

 Bilddokumente schreiben Geschichte, aber Geschichte ist in aller Regel manipuliert. Auch wenn eine Institution oder ein Betätigungsfeld gerade im Zentrum der Aufmerksamkeit steht, kann man nur staunen, wie geschickt und brutal die Initiatoren oder Erfinder unterschlagen oder heruntergespielt werden und versteht die Gründe dafür nicht, vor allem wenn die zentralen Figuren längst tot sind und keine aktuelle Konkurrenz mehr darstellen. Wiederentdeckungen geschehen von den Rändern her.

Mexikanische Fotokünstler tendieren zum sozialen Dokumentarismus, ohne moralische oder ästhetische Strategien, nicht zuletzt weil fast alle zeitweilig oder immer auch journalistisch tätig waren und sind. Francisco Mata Rosas ist ein Bild gelungen, das multiple Bedeutung hat und damit sind wir bei Problem und Reichtum von Dokumenten. Gerade in Europa, welches in den letzten Jahren einen Zustrom von Menschen aus anderen Kulturkreisen zu verzeichnen hat, lassen sich Bilder und deren Bedeutung nicht nur schwer erklären, sie werden von verschiedenen Volksgruppen und vor allem von Angehörigen unterschiedlicher Religionen und Bekenntnissen vollkommen verschieden interpretiert, beziehungsweise missverstanden. Fundamentalistische Ausprägungen, die vor einigen Jahren noch nicht in der Form zelebriert wurden, erschweren das gegenseitige Verständnis. Europäer sehen sich in die Zeit des Mittelalters zurückversetzt, was den Umgang von Gläubigen mit Wissenschaft und Kunst betrifft.

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