Von Jana Wisniewski geschaffene Kunstwerke beruhen im allgemeinen
auf den Regeln der Symmetrie im weiteren Sinne. Erstens sind
diese Werke oft geometrische Körper oder Figuren, die einander im
drei-dimensionalen Raum überschneiden. Zweitens sind die Flächen
dieser Figuren größtenteils mit Photographien bedeckt, die
Nahaufnahmen von Hautoberflächen oder wachsenden Gräsern
zeigen. Die Photogaphie an sich kann als eine symmetrische
Wiedergabe eines Fragments der physischen Welt betrachtet werden.
Und drittens gebraucht die Künstlerin oft Spiegel und das darin
Reflektierte. Die Symmetrie eines Spiegelbildes mit den vor dem
Spiegel befindlichen Gegenständen ist jener sehr ähnlich, die wir
in einer Photographie finden. Der Realismus einer Photographie
wurde jedenfalls schon immer als ein Spiegelbild der Wirklichkeit
betrachtet. Wenn ein Gegenstand photographiert würde, dann diese
Photographie vor einen Spiegel gestellt und ihr Spiegelbild
wieder photographiert würde, und wenn dann die Photographie
dieses Spiegelbildes wiederum vor einen Spiegel gestellt und
photographiert würde, usw, dann würde wegen der Unvollkommenheit
des Reproduktionsverfahrens das Bild auf den Photographien immer
undeutlicher werden; aber wir würden es doch immer noch als eine
Spiegelung einer substantiellen Wirklichkeit betrachten.
Durch die Verwendung von Spiegeln ist den Werken von Jana
Wisniewski eine spezifische innere Dynamik eigen, da die Spiegel
Teile von anderen Arbeiten widerspiegeln und auch deren Umfeld,
und diese Reflexionen je nach der vom Beobachter eingenommenen
Stellung variabel sind. Daraus entstehen spezifische Spannungen,
in denen wir auch eine gewisse sensuelle Magie finden können,
die uns aber zu allererst dazu herausfordern, die Grundlagen der
Kunst in Frage zu stellen. So besteht zum Beispiel eines der
Kunstwerke aus einer horizontalen quadratischen Fläche, die zu
drei Vierteln mit Photographien von Gras bedeckt ist, während
sich auf dem letzten Viertel "echtes" Kunstgras aus Plastik
befindet.In der Mitte der Diagonale ist ein zweiseitiger
dreieckiger Spiegel senkrecht aufgestellt. Dieser Spiegel
reflektiert mit einer Seite ein künstliches (photographiertes)
Bild von echtem Gras, während die andere Seite das Bild von
"echtem" Kunstgras widerspiegelt. Die Lage wird noch
komplizierter, wenn ein solches Kunstwerk im Freien auf echtes
Gras gestellt wird. Aber Widersprüche zwischen Kunst und Natur
heraufzubeschwören ist nicht das Ziel der Künstlerin.; sie will
uns vielmehr die geistigen Vorgänge im Seh-Prozeß bewußt machen,
der wahrgenommene Gegenstand selbst ist also nicht so wichtig.
Durch die Konfrontation von verschiedenen Arten von Bildern ,
schafft sie ein Wechselspiel zwischen den Begriffen der
Wahrheitswiedergabe und der Imitation (oder zwischen dem Original
und der Reproduktion), und dieses Spiel kann uns helfen, den
psychologischen Hintergrund solcher Kategorien zu erkennen. Ein
Spiegel oder eine Photographie reflektieren ein Bild nur gemäß
den Regeln der Optik ohne Bewertung. Andererseits leitet sich
unser besorgtes Forschen nach dem Maß der Wirklichkeit oder
Wahrhaftigkeit von dem Bedrüfnis her, das Wesentlichste zu
begreifen. Indessen rufen Photographien von Grashalmen oder von
Haut (auf der Haare wie Gras sprießen) Assoziationen mit etwas
Oberflächlichem und Trivialem wach. Ein solcher Eindruck wird
durch die Wiederholung der Formen verstärkt -von der
Massenanonymität von Grashalmen oder Haaren auf einem einzelnen
Photo bis hin zu der Wiederholung des ganzen Bildes oder manchmal
bis zum Gebrauch eines rhythmisch gewellten Materials als
Hintergrund.
Es läßt sich auch erkennen, daß für die Künstlerin die
Regelmäßigkeit der geometrischen Figuren, auf welche die
Photographien geklebt sind, von entscheidender Bedeutung ist;
vielleicht symbolisieren sie die mathematische Struktur, die den
einzelnen Naturerscheinungen zugrunde liegt, und die in
Photographien oder Spiegeln reflektiert ist. Doch es gibt keinen
eindeutigen Hinweis zur richtigen Interpretationsweise. Eine
Arbeit besteht zum Beispiel aus einigen quadratischen
Photographien von Gras, die auf einen gewellten Hintergrund
aufgeklebt sind, und dadurch entstehen Assoziationen mit
abstrakten Gemälden von Kazimierz Malewicz, die den Sinn des
reinen Absoluten ausdrücken sollen.
Aber die Tatsache, daß die Quadrate nicht rein geometrische
Gebilde sondern Photographien sind, erinnert vor allem an die
Spannung zwischen dem Abstrakten und dem Konkreten. Die
Künstlerin macht keine Aussage über ein Gesetz der Wirklichkeit.
Der Betrachter muß selbst entscheiden, was ihm wichtig ist, und
er muß sich der Motive für seine eigenen Reaktionen bewußt
werden. Das kann manchesmal so vor sich gehen wie in dem Roman
"Tom Harris" von Stefan Themerson, in dem der Held darüber
sinniert, warum in einem Spiegel seine linke Seite in seine
rechte verwandelt wird, aber oben und unten nicht auch
gleichzeitig vertauscht sind. Offensichtlich vertauscht ein
Spiegel die Seiten nicht, nur wenn eine Person das eigene "Ich"-
Bewußtsein auf das Spiegelbild überträgt, kommt diese Verwirrumg.
zustande.
(Adam SOBOTA)