Jana Wisniewski PHOTOGRAPHY IN MOTION

Elektronische Bildverarbeitung & Kunst, Kultur, Historie EVA 2005 Berlin

Kultur & Technologie: Zukunftstrends & Perspektiven

Elektronische Bildverarbeitung hat im Zusammenspiel mit Internet und Webdesign die Anwendungsbereiche für ein Foto, egal ob ursprünglich analog oder digital enorm erweitert. Vor allem kann das gleiche Foto in unterschiedlichen Kontexten ansehnlich zur Geltung kommen. Ich möchte dies anhand einer Praxis von Vorträgen, der Herausgabe einer Internetkunstzeitschrift und von Webseiten als Kunstseiten darstellen. Der Vortrag selbst ist als Webseite konzipiert.

Im Jahr 2003 hatte ich aus Anlass des Internationalen Kunstkritikerkongresses meinen Vortrag mit einer Fülle an Fotos, die ich quer durch die Jahre aufgenommen hatte, zuerst analog, später digital, zu einer Webseite geformt, weil ich dachte, so könnte ich überall auf der Welt auf meine Bilder und kurzen Statements zugreifen und diese dann in freier Rede interpretieren. Diese Vorgehensweise eignet sich vorwiegend für ein multilinguales Publikum, viele Bilder, eine eher einfache Sprache, unkomplizierter Umgang mit Zeit. Bei einem Internationalen Semiotikkongress 2004 stellte ich fest, dass diese Vorgehensweise auch sehr kommunikativ ist, die freie Rede im Kontext einer nachhaltigen Struktur motiviert zu Fragen, zu Erfahrungsaustausch, zu Diskussionen.

Das Titelbild stammt aus einer Zeit, als man als Künstler noch ungestraft Bilder und Buchstaben aus Zeitschriften ausschneiden durfte und Collagen klebte. Die Retusche war für Fotografen erlaubte und geübte Praxis. Betrachter der älteren Generation werden das sofort einordnen können, junge „Fachleute" denken sofort an Photoshop. Tatsächlich ist es ja auch gleichgültig in welcher Form man ausschneidet und einfügt – nur die zeitgenössische Praxis des Umgangs mit Fotografie zieht weit mehr Register. Die Fotos können aus Videos, Filmen, vom Internet stammen, von analogen und digitalen Abzügen beziehungsweise Prints, sie sind nicht nur verlustfrei kopierbar (Vorsicht Copyright) sondern auch in eine große Zahl von Formaten transferierbar.

Aus dem Internet mit Simply Capture, lässt sich das aktuelle Fenster hereinholen als Zitat bei Vorträgen und als Hinweis in einem Artikel, auch gleich in schwarz/weiß geändert wenn das so gewünscht ist. Die Adresse und der Autor sind ja gleich dabei, als Datenklau kann man das nicht sehen. Wenn man das Bild ausschneidet, weil man es größer im Bild haben will, kann man ja wieder Autor und Adresse hineinschreiben. Allerdings gilt das nur für Kunstkritik und Wissenschaft.

Die Praxis der Fotografie hatte sich bald nach ihrer Erfindung in eine professionelle und in eine private geteilt, ab dem Moment, als handliche Geräte am Markt waren und für die Ausarbeitung ein entsprechendes Angebot vorhanden war. Jetzt schließt sich wieder der Kreis, denn statt Dunkelkammer hat man jetzt Computer, benötigt weder viel Platz noch Chemie, die Resultate bleiben aber dennoch abhängig von Papieren, Druckern, Scannern, diverser Software und der Art der Publikation, ob im Buch, im Web, in öffentlichen Räumen, auf Fotopapier, Leinen, Kopierpapier oder was immer. Besonders interessant ist die spezielle Verfügbarkeit von Bildmaterial für große Formate (Plakate, Screens) die Konvertierbarkeit für Buchdruck und Webseiten. Wobei offenbar nach wie vor nur Kenner der Materie überhaupt bemerken, ob ein Foto die Dichte hat, oder nur aufgeblasen ist. Sogar in Museen und großen Ausstellungen passiert es immer wieder, dass Bilder die etwa für 2m Breite gedacht waren, auf 15 m Breite projiziert werden und dann noch auf eine normal gestrichene Wand. Das ist ein wahrlich brutaler Umgang mit Bildinformation. Manchmal sind es auch die Sponsoren die untragbare Einfälle haben. Auf der Fotobiennale in Madrid wurden z.B. auf einer riesigen Screen im öffentlichen Raum Aufnahmen von Fotohandys gezeigt. Müßig zu erwähnen, dass die Bildinformation bei der Auflösung die MMS im Durchschnitt 2003 bot, recht dürftig war.

Warum es immer noch Ressentiments bezüglich der digitalen Fotografie gibt ist nicht logisch.

Die Atlanten, ein zeitgenössisches Konstrukt von www.zeitgenossen.com, Ursula Henschläger/Zelko Wiener, bezieht sich auf Religionsgeschichte. Ob man das im Druck der Publikation sehen wird ist nicht klar, aber vor Ort wurde jedenfalls deutlich, dass diese Bilder nicht einfach groß aufgeblasen sind (sie kommen nämlich auch auf der Website vor) die Bilder haben eine hohe Dichte (irrsinnig viele Pixel). Ausgangsmaterial für Zelko Wiener sind Fotos die er selbst schießt. Aus seiner Fotodatenbank mixt er, verfremdet, verändert und animiert Fotos, dank Flash sind sie auch im Netz erstaunlich dicht. Auf der Ars Electronica 2005 bieten die Atlanten zumindest temporär „Kunst am Bau". Das Original ist in Farbe.

Das Problem ist derzeit sicher nicht die Flexibilität, sondern die Haltbarkeit auf den jeweils aktuellen Speichermedien und die Mühe, die Datenbanken auf die jeweils aktuellen Formate übertragen zu müssen, da sich ja die Hardware ändert auf der man das alles abspielen kann.

Die freie Rede hat z.B. eine sowohl flüchtige als auch einmalige Qualität. Die Webseiten die man aufruft, sind oft bald wieder verschwunden. Es ist natürlich möglich, alles immer aufzuzeichnen – mir gefällt der umgekehrte Weg besser – der Vortrag nur als Konzept festgehalten, mit ein paar Bildzitaten – der freie Fluss der Ausführungen und anschließenden Diskussionen bleibt ein Ereignis vor Ort, eine Sache die man zwar wiederholen könnte, die aber nie zweimal gleich ist. Die Fotografie ist zwar ein eingefrorener Moment in der Geschichte, durch die Nachbearbeitungsmöglichkeiten ist aber Beweglichkeit gewährleistet.

Mit diesen neuen Möglichkeiten der Fotografie, ähnelt das Medium dem Leben selbst, das immer in Bewegung ist. Doch auch die unterschiedlichen Ansätze, mit denen Fotokunst ans Abbilden und Transformieren heranging, sind es wert zumindest in einigen Positionen in Erinnerung gebracht zu werden. Letztlich ist ja nicht das Medium die Message, das Transportmittel ermöglicht Intentionen eine zeitgenössische Realisation – Wille und Vermögen stehen in einem Wechselspiel, Erfindung und Nutzung sind Folgeerscheinungen von Visionen, Wünschen von kreativen Menschen die Gestalt annehmen. Immer gültig bleibt, was sich nicht verändert, wächst, das versteinert und stirbt.

Für diese prominenten Fotokünstler ist nicht finden von Realität, sondern erfinden von Realität das Muster ihres Umganges mit Fotografie.

Diese Fotoausstellung in Paris war dem Knipserfoto gewidmet, mit dem Blick auf die Aussagekraft von Fotos für private Zwecke, die doch Fotogeschichte schreiben.

Julie Moos hat die Privatheit von Hausangestellten und Hausfrauen untersucht und dabei eine erstaunliche Aussagekraft zur sozialen Lage und dem Umfeld entdeckt und fühlbar gemacht.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Mit der Ausstellung und dem Buch Fotgrafie nach der Fotografie, konzipiert von Hubertus v. Amelunxen, Stefan Iglhaut und Florian Rötzer, begann 1995 eine Austellungsreise in deutschsprachigen Gebieten, die sich sehr ausführlich den digitalen Möglichkeiten widmete. Wie künstlich war nun die Fotokunst geworden? Fotos und computergenerierte photorealistische Bilder konnten nun einander gegenüber gestellt werden oder auch zu Resultaten gemixt Fotografie neu schreiben.

In diesem Buch, entstanden auf der Basis eines Fundes von alten Photoglasplatten, geht es um die Arbeit des ersten Fotografen im Pitztal, der dies aber nur in Nebenerwerbstätigkeit schaffte. Damit sei an ein Berufsmodell erinnert, das sich heute wieder einschleicht, denn nun wird der Fotograf wieder zum Teilzeitbeschäftigten, entweder weil die Honorare nicht reichen, oder weil er nur mehr Teil eines Prozesses ist, zu dem Nachbearbeitungen oft aber auch grafische und textliche Aspekte und andere Teile des Produktionsprozesses für Druck oder Website gehören.

Das Foto als autonomes Bild bezieht sich auf einen Rückblick im Jahr 1989 auf Arbeiten von Fotokünstlern, die mit kameraloser Fotografie und ähnlichen Vorgehensweisen Kunstwerke schufen. Fotocollagen wurden schon in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts zu überaschenden Bildkonstrukten wie bei Herbert Bayer oder für politische Aussagen wie bei John Heartfield virtuos genutzt. Solarisation, Mehrfachbelichtung und das Negativbild waren beliebte Methoden der Gestaltung und Verfremdung von fotografischen Aufnahmen, bis dann Strobofotografie und picture processing wie sie Herbert W. Franke einsetzte, die Fotografie nach der Fotografie vorwegnahmen.

Im angewandten Bereich bleiben keine Wünsche offen, man kann Realitäten und Medialitäten mixen um sie dann wieder ganz konventionell auf Papier zu drucken. Inzwischen sind einige Berufe verschwunden, so z.B. der Lithograf und neue Berufe entstanden. Das Diskursthema der 70er Jahre, ob Fotografie Kunst ist, hat sich dahingehend verändert, dass man nun wieder vermehrt Malerei zeigt und sich nun eher die Frage stellt, ob sie mit Pinsel und Farbe (handwerklich sein soll) oder ob es auch computergenerierte "Malerei" sein darf mit anschließendem Druck auf Papier oder Leinen.

www.lukejerram.com/gifts/dreaming_device.htm

Künstler sind nicht mehr Materialien oder Produktionsprozessen verhaftet. Luke Jerram schenkt hier mit einer Fotografie einen Traum, arbeitet aber auf verschiedenen Gebieten, die auch auf seiner Webseite dargestellt werden.

www.field-of-vision.net/Extremes/Raw

In field of vision zeigt sich vollends das Spektrum der Möglichkeiten, die Fotografie nun genommen hat. Hier ist zuerst einmal eine Künstlergruppe als Kuratoren und Organisatoren am Werk. Sie laden zu einer inhaltlich definierten Schau ein, welche Bilder von Künstlern einerseits auf der Webseite auflistet, andererseits diese zu einem Bildwerk komponiert, denn die per Mail oder Upload gesandten Bilder werden ausgedruckt und neu geordnet. Die Bilder sind nur teilweise Fotografie, es kann auch jede Art von Bildmix gescannt werden. Nun kann man sich fragen was ist noch Fotografie oder schon wieder Fotografie und wie bewertet man nun die Bildinformationen im Web. Für Einreichungen wird um eine Bilddichte gebeten die pro Bild 1MB nicht übersteigt. Das ist ja kein Problem, denn jeder kann aus seiner Bilddatenbank auf der Festplatte etwas auswählen und in eine für eine E-Mail geeignete Größe bringen. Darunter können Bilder die ursprünglich analog waren, gemalte, gezeichnete, digitale, am computer generierte und aus dem Web hereingeholte Bilder sein, die nun als Bildinformation gesandt werden. Es entsteht sicher die Frage, was will man in Zukunft noch oder noch immer oder schon wieder Fotografie nennen. Letztlich ist ja auch ein mit simply capture im Web geschossenes Bild, welches z.B. auch das Umfeld am aktuellen Computer miteinbezieht (das aktuelle Fenster mit Adresse und Favoriten) ein Foto....oder müssen wir dafür neue Begriffe schaffen?

Einige grundsätzliche Ansätze zur Diskussion:

 Augenblicke      Bildaussage      Bildbearbeitung     Bildstrategien