Elektronische Bildverarbeitung hat im
Zusammenspiel mit Internet und Webdesign die Anwendungsbereiche für
ein Foto, egal ob ursprünglich analog oder digital enorm erweitert.
Vor allem kann das gleiche Foto in unterschiedlichen Kontexten
ansehnlich zur Geltung kommen. Ich möchte dies anhand einer Praxis
von Vorträgen, der Herausgabe einer Internetkunstzeitschrift
und von Webseiten als Kunstseiten darstellen. Der Vortrag selbst
ist als Webseite konzipiert.
Das Titelbild stammt aus einer Zeit, als man als
Künstler noch ungestraft Bilder und Buchstaben aus Zeitschriften
ausschneiden durfte und Collagen klebte. Die Retusche war für
Fotografen erlaubte und geübte Praxis. Betrachter der älteren
Generation werden das sofort einordnen können, junge „Fachleute"
denken sofort an Photoshop. Tatsächlich ist es ja auch
gleichgültig in welcher Form man ausschneidet und einfügt – nur
die zeitgenössische Praxis des Umgangs mit Fotografie zieht weit
mehr Register. Die Fotos können aus Videos, Filmen, vom Internet
stammen, von analogen und digitalen Abzügen beziehungsweise Prints,
sie sind nicht nur verlustfrei kopierbar (Vorsicht Copyright)
sondern auch in eine große Zahl von Formaten transferierbar.
Aus dem Internet mit Simply Capture, lässt sich
das aktuelle Fenster hereinholen als Zitat bei Vorträgen und als
Hinweis in einem Artikel, auch gleich in schwarz/weiß geändert
wenn das so gewünscht ist. Die Adresse und der Autor sind ja gleich
dabei, als Datenklau kann man das nicht sehen. Wenn man das Bild
ausschneidet, weil man es größer im Bild haben will, kann man ja
wieder Autor und Adresse hineinschreiben. Allerdings gilt das nur
für Kunstkritik und Wissenschaft.
Die Praxis der Fotografie hatte sich bald nach
ihrer Erfindung in eine professionelle und in eine private geteilt,
ab dem Moment, als handliche Geräte am Markt waren und für die
Ausarbeitung ein entsprechendes Angebot vorhanden war. Jetzt
schließt sich wieder der Kreis, denn statt Dunkelkammer hat man
jetzt Computer, benötigt weder viel Platz noch Chemie, die
Resultate bleiben aber dennoch abhängig von Papieren, Druckern,
Scannern, diverser Software und der Art der Publikation, ob im Buch,
im Web, in öffentlichen Räumen, auf Fotopapier, Leinen,
Kopierpapier oder was immer. Besonders interessant ist die spezielle
Verfügbarkeit von Bildmaterial für große Formate (Plakate,
Screens) die Konvertierbarkeit für Buchdruck und Webseiten. Wobei
offenbar nach wie vor nur Kenner der Materie überhaupt bemerken, ob
ein Foto die Dichte hat, oder nur aufgeblasen ist. Sogar in Museen
und großen Ausstellungen passiert es immer wieder, dass Bilder die
etwa für 2m Breite gedacht waren, auf 15 m Breite projiziert werden
und dann noch auf eine normal gestrichene Wand. Das ist ein wahrlich
brutaler Umgang mit Bildinformation. Manchmal sind es auch die
Sponsoren die untragbare Einfälle haben. Auf der Fotobiennale in
Madrid wurden z.B. auf einer riesigen Screen im öffentlichen Raum
Aufnahmen von Fotohandys gezeigt. Müßig zu erwähnen, dass die
Bildinformation bei der Auflösung die MMS im Durchschnitt 2003 bot,
recht dürftig war.
Warum es immer noch Ressentiments bezüglich der
digitalen Fotografie gibt ist nicht logisch.
Die Atlanten, ein zeitgenössisches Konstrukt von
www.zeitgenossen.com, Ursula Henschläger/Zelko Wiener, bezieht sich
auf Religionsgeschichte. Ob man das im Druck der Publikation sehen
wird ist nicht klar, aber vor Ort wurde jedenfalls deutlich, dass
diese Bilder nicht einfach groß aufgeblasen sind (sie kommen
nämlich auch auf der Website vor) die Bilder haben eine hohe Dichte
(irrsinnig viele Pixel). Ausgangsmaterial für Zelko Wiener sind
Fotos die er selbst schießt. Aus seiner Fotodatenbank mixt er,
verfremdet, verändert und animiert Fotos, dank Flash sind sie auch
im Netz erstaunlich dicht. Auf der Ars Electronica 2005 bieten die
Atlanten zumindest temporär „Kunst am Bau". Das Original ist
in Farbe.
Das Problem ist derzeit sicher nicht die
Flexibilität, sondern die Haltbarkeit auf den jeweils aktuellen
Speichermedien und die Mühe, die Datenbanken auf die jeweils
aktuellen Formate übertragen zu müssen, da sich ja die Hardware
ändert auf der man das alles abspielen kann.
Die freie Rede hat z.B. eine sowohl flüchtige
als auch einmalige Qualität. Die Webseiten die man aufruft, sind
oft bald wieder verschwunden. Es ist natürlich möglich, alles
immer aufzuzeichnen – mir gefällt der umgekehrte Weg besser –
der Vortrag nur als Konzept festgehalten, mit ein paar Bildzitaten
– der freie Fluss der Ausführungen und anschließenden
Diskussionen bleibt ein Ereignis vor Ort, eine Sache die man zwar
wiederholen könnte, die aber nie zweimal gleich ist. Die Fotografie
ist zwar ein eingefrorener Moment in der Geschichte, durch die
Nachbearbeitungsmöglichkeiten ist aber Beweglichkeit
gewährleistet.
Mit diesen neuen Möglichkeiten der Fotografie,
ähnelt das Medium dem Leben selbst, das immer in Bewegung ist. Doch
auch die unterschiedlichen Ansätze, mit denen Fotokunst ans
Abbilden und Transformieren heranging, sind es wert zumindest in
einigen Positionen in Erinnerung gebracht zu werden. Letztlich ist
ja nicht das Medium die Message, das Transportmittel ermöglicht
Intentionen eine zeitgenössische Realisation – Wille und
Vermögen stehen in einem Wechselspiel, Erfindung und Nutzung sind
Folgeerscheinungen von Visionen, Wünschen von kreativen Menschen
die Gestalt annehmen. Immer gültig bleibt, was sich nicht
verändert, wächst, das versteinert und stirbt.
Für diese prominenten Fotokünstler ist nicht
finden von Realität, sondern erfinden von Realität das Muster
ihres Umganges mit Fotografie.
Diese Fotoausstellung in Paris war dem Knipserfoto
gewidmet, mit dem Blick auf die Aussagekraft von Fotos für private
Zwecke, die doch Fotogeschichte schreiben.
Julie Moos hat die Privatheit von Hausangestellten
und Hausfrauen untersucht und dabei eine erstaunliche Aussagekraft
zur sozialen Lage und dem Umfeld entdeckt und fühlbar gemacht.
Mit der Ausstellung und dem Buch Fotgrafie nach der
Fotografie, konzipiert von Hubertus v. Amelunxen, Stefan Iglhaut und
Florian Rötzer, begann 1995 eine Austellungsreise in
deutschsprachigen Gebieten, die sich sehr ausführlich den digitalen
Möglichkeiten widmete. Wie künstlich war nun die Fotokunst
geworden? Fotos und computergenerierte photorealistische Bilder
konnten nun einander gegenüber gestellt werden oder auch zu
Resultaten gemixt Fotografie neu schreiben.
In diesem Buch, entstanden auf der Basis eines
Fundes von alten Photoglasplatten, geht es um die Arbeit des ersten
Fotografen im Pitztal, der dies aber nur in Nebenerwerbstätigkeit
schaffte. Damit sei an ein Berufsmodell erinnert, das sich heute
wieder einschleicht, denn nun wird der Fotograf wieder zum
Teilzeitbeschäftigten, entweder weil die Honorare nicht reichen,
oder weil er nur mehr Teil eines Prozesses ist, zu dem Nachbearbeitungen oft aber auch grafische
und textliche Aspekte und andere Teile des
Produktionsprozesses für Druck oder Website gehören.
Das Foto als autonomes Bild bezieht sich auf einen
Rückblick im Jahr 1989 auf Arbeiten von Fotokünstlern, die mit
kameraloser Fotografie und ähnlichen Vorgehensweisen Kunstwerke
schufen. Fotocollagen wurden schon in der ersten Hälfte des letzten
Jahrhunderts zu überaschenden Bildkonstrukten wie bei Herbert Bayer
oder für politische Aussagen wie bei John Heartfield virtuos
genutzt. Solarisation, Mehrfachbelichtung und das Negativbild waren
beliebte Methoden der Gestaltung und Verfremdung von fotografischen
Aufnahmen, bis dann Strobofotografie und picture processing wie sie
Herbert W. Franke einsetzte, die Fotografie nach der Fotografie
vorwegnahmen.
Im angewandten Bereich bleiben keine Wünsche
offen, man kann Realitäten und Medialitäten mixen um sie dann
wieder ganz konventionell auf Papier zu drucken. Inzwischen sind
einige Berufe verschwunden, so z.B. der Lithograf und neue Berufe
entstanden. Das Diskursthema der 70er Jahre, ob Fotografie Kunst
ist, hat sich dahingehend verändert, dass man nun wieder vermehrt
Malerei zeigt und sich nun eher die Frage stellt, ob sie mit Pinsel
und Farbe (handwerklich sein soll) oder ob es auch
computergenerierte "Malerei" sein darf mit anschließendem
Druck auf Papier oder Leinen.
www.lukejerram.com/gifts/dreaming_device.htm
Künstler sind nicht mehr Materialien oder
Produktionsprozessen verhaftet. Luke Jerram schenkt hier mit einer
Fotografie einen Traum, arbeitet aber auf verschiedenen Gebieten,
die auch auf seiner Webseite dargestellt werden.
www.field-of-vision.net/Extremes/Raw
In field of vision zeigt sich vollends das
Spektrum der Möglichkeiten, die Fotografie nun genommen hat. Hier
ist zuerst einmal eine Künstlergruppe als Kuratoren und
Organisatoren am Werk. Sie laden zu einer inhaltlich definierten
Schau ein, welche Bilder von Künstlern einerseits auf der Webseite
auflistet, andererseits diese zu einem Bildwerk komponiert, denn die
per Mail oder Upload gesandten Bilder werden ausgedruckt und neu
geordnet. Die Bilder sind nur teilweise Fotografie, es kann auch
jede Art von Bildmix gescannt werden. Nun kann man sich fragen was
ist noch Fotografie oder schon wieder Fotografie und wie bewertet
man nun die Bildinformationen im Web. Für Einreichungen wird um
eine Bilddichte gebeten die pro Bild 1MB nicht übersteigt. Das ist
ja kein Problem, denn jeder kann aus seiner Bilddatenbank auf der
Festplatte etwas auswählen und in eine für eine E-Mail geeignete
Größe bringen. Darunter können Bilder die ursprünglich analog
waren, gemalte, gezeichnete, digitale, am computer generierte und
aus dem Web hereingeholte Bilder sein, die nun als Bildinformation
gesandt werden. Es entsteht sicher die Frage, was will man in
Zukunft noch oder noch immer oder schon wieder Fotografie nennen.
Letztlich ist ja auch ein mit simply capture im Web geschossenes
Bild, welches z.B. auch das Umfeld am aktuellen Computer
miteinbezieht (das aktuelle Fenster mit Adresse und Favoriten) ein
Foto....oder müssen wir dafür neue Begriffe schaffen?
Einige grundsätzliche Ansätze zur Diskussion:
Augenblicke
Bildaussage
Bildbearbeitung