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DAS KONVOLUT IST WILLKÜRLICH, NICHT VOLLSTÄNDIG ODER ZEITLICH GEORDNET - EIN BLICK IN DIE SCHREIBSTUBE von Jana Wisniewski

ADOLF KRISCHANITZ – PAVILLONS                                                                

Die Erregungen, welche das „Provisorium" Kunsthalle Wien ausgelöst hatte, genoss man sichtlich bei der Eröffnung der Kunsthalle „Light", einem klaren, transparenten Schaufenster der Kunst. Das Provisorium, als Innenhalle zur Ausstellung „Von der Natur in der Kunst" konzipiert, löste schwer nachvollziehbare Brachialäußerungen aus, war aber mit der ungenutzten Röhre und dem Grundkonzept „White Cube" das dauernd durch opulente Ausstellungseinbauten unterlaufen wurde, weit weniger perfekt, als das was wir jetzt zu sehen bekommen. Nun decken sich Anspruch und Visualisierung vollkommen. Der „project space" ist, wie freche Besucher gleich am ersten Abend behaupten, die schönere Kunsthalle.

In erster Linie drängt sich jetzt Architektur wirklich nicht auf und wird gerade dafür bewundert. Ihr Auftritt, ob als Künstler oder als Besucher, hat das denkbar beste Ambiente. Die Operationsebene in der Mitte eingeschrieben, öffnet sich der Kubus nach allen vier Seiten transparent zum Umraum, und vermittelt bei geringer Raumhöhe und ausgewogener Raumaufteilung sofort Wohlbehagen. Man kann sich natürlich fragen, ob eine Kunsthalle das überhaupt soll und darf. Viel besser als vorher ist die Eingangssituation, die nicht mehr beengt, mit einem Blick erfassbar zur Ausstellung weist und gleichzeitig das restliche Raumangebot (Cafe, Büro, Multifunktionaler Aufenthaltsraum) einsehbar präsentiert.

Die erste Ausstellung ist den Pavillons von Adolf Krischanitz gewidmet. Der Traisen Pavillon in St. Pölten, wurde von Architekturkritikern hoch gelobt wegen seiner intelligenten Konstruktion, war aber für Ausstellungszwecke eher eine Plage (feucht, kalt, eng, hoch) Mit dem Österreich – Pavillon hat er dann zur Darstellung von Inhalt durch Form gefunden. Was er vorhatte und wie er seine eigene Arbeit sieht, kann man anhand von Text/Bildmaterial in der Eröffnungsausstellung einsehen.

Der Direktor Gerald Matt, der ja schon das Provisorium entrümpelt hatte, kündigte einen neuen Preis für junge Künstler an, verbunden mit einer Erstpräsentation im project space, in Kooperation mit der Universität für Angewandte Kunst. Ein Schwerpunkt wird Video sein, im Hinblick auf die im Aufbau befindliche Videosammlung. Zu Ausstellungen werden Künstler nicht mit fertiger Ware geladen, der Name „project space" gibt auch die Programmrichtung vor.

JANA WISNIEWSKI

ALVAR AALTO – Kaiserliches Hofmobiliendepot

Der bekannte finnische Architekt und Designer wird im Kaiserlichen Hofmobiliendepot anhand der Sammlung Kossdorff vorgestellt. Hier erfährt man einerseits was einen Sammler bewegt, wie professionell Heinz Kossdorf das ganze Umfeld ins Spiel gebracht hat, andererseits welche Revolution einer neuen Einfachheit die Moderne hervorgebracht hat. In Rückblicken auf einige wenige Interieurs, wird klar welche Festschreibungen im Bereich der angewandten Kunst, oder einfach der Wohnformen Gesellschaftsschichten trennten und wie sexistisch bei Einrichtungen gedacht wurde.

1928 trat Alvar Aalto dem CIAM bei, dem Internationalen Kongress Moderner Architektur und damit begannen auch seine internationalen Kontakte. Sein persönlicher Stil, am besten gekennzeichnet durch seinen Namen „AALTO" heißt auf finnisch Welle, Woge, blieb im Rahmen internationaler Bestrebungen um eine neue Einfachheit, erhalten. Mit Wien verbanden Aalto diverse Aktivitäten. Schon früh bewarb er sich bei einem Wettbewerb der Firma Thonet, doch ohne Erfolg. Jahre später, bei einem geladenen Wettbewerb für die Wiener Stadthalle, gewann er fast, nämlich gemeinsam mit Roland Rainer den ersten Preis – doch die Ausführung ging an Rainer. Dennoch hat er hier eine Fangemeinde, zu der neben dem angesprochenen Sammler auch der bekannte Wiener Architekt Karl Mang zählt, der gerne über seine Bewunderung als junger Architekt, für die seiner Meinung nach zukunftsweisenden und eleganten Lösungen des Meisters aus dem Norden spricht.

Die Vorgeschichte zum Bugholzmöbel hat Thonet geschrieben. Alvar Aalto, der ab 1923 ein eigenes Architekturbüro in Finnland betrieb, hatte sich mit dem in Finnland reichlich vorhandenem Birkenholz auseinandergesetzt und einen Bugholzstil einfacher, robuster aber dynamischer Art kreiert. Vor allem hatte er eine ganz bestimmte Beinform bei Hockern, Stühlen, Tischen entworfen, die sich gut zum stapeln eigneten. Armlehnstühle, Liegestühle, freischwingende Polstermöbel wurden ab 1935 nicht mehr nur für Ausstattungszwecke entworfen, er gründete gemeinsam mit seiner Frau Aino, die auch Architektin war, einem Kunstkritiker und diversen Finanziers die Firma Artek.

Die erstaunlich fließenden Formen bei den Glasprodukten finden sich in etwa bei Architekturgrundrissen wieder. Er agierte allerdings nicht abgehoben, im Abschnitt „Zeitgenossen" lassen sich die gegenseitigen Einflüsse nachvollziehen, von Marcel Breuer bis Charles Eames. Die Ausstellung bis 21. April wird von einer Vortragreihe begleitet, am 18. 4. 2002 wird die Stadthalle, wie sie Aaalto gesehen hätte beleuchtet.

JANA WISNIEWSKI

ANDREA SODOMKA „Bild-Ton-Raum" ( von Jana Wisniewski)

Mit „Bild-Ton-Raum" kann man das Wirkungsfeld der Künstlerin Andrea Sodomka kurz und wie ein Markenzeichen beschreiben. Mit Bild ist vorwiegend das fotografische Bild gemeint, mit Ton fast alles nur nicht Musik und mit Raum ihre permanente Bezugnahme auf den Raum, ob dies nun ein Kunst am Bau Projekt ist, eine Arbeit im öffentlichen Raum oder ein Netzprojekt im virtuellen Raum.

Schon vom Studium her standen bei Andrea Sodomka die Zeichen auf „crossover", wie man das heute bezeichnet, denn sie studierte parallel an der Hochschule für angewandte Kunst und an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst, beides in Wien. Dass sie schlussendlich im Netz der Netze, dem Internet landen würde, zeichnete sich ebenfalls ab, denn an der Musikhochschule studierte sie am Institut für Elektroakustik an der Angewandten bei Tasquil, Oberhuber, Cramelle – was soviel wie Theoriebildung, Kommunikation, Zeichen im Raum heißt, denn dafür könnte man die angesprochenen Professoren wieder kurz charakterisieren.

Im virtuellen Raum lassen sich kreative Ideen unmittelbar von einem in ein anderes Medium übersetzen und das schien das Interesse dieser Künstlerin von Anfang an gewesen zu sein.

Fangen wir bei der Fotografie an, denn zuerst verortete man sie im Fotokunstkontext. Ich kenne eigentlich nur Arbeiten mit denen sie auf den Raum Bezug nahm, oder den Raum als Ausgangspunkt für ein eher mathematisches Resultat von Reihungen, die Bildfragmente wurden wie Töne zum Stück komponiert. Schon früh gab es Raster, das Spiel mit den Bildpunkten und Übersetzungen von Raumgrößen und Raumausschnitten, das was man zu sehen bekam war eigentlich immer ein Konstrukt. Aus schwer nachvollziehbaren Gründen, sind diese strengen Muster dennoch von einer Leichtigkeit und Selbstverständlichkeit, ganz so als ob es einfach ein Abbild wäre, von etwas das wir kennen. Letztlich ist es das ja auch, nur nicht so wie man es mit freiem Auge sehen kann.

Eine ähnliche Vorgangsweise zeichnet sich auch bei Tonarbeiten ab, das Interesse zielt auf Geräusche die im Raum aufgefangen wurden und dann transformiert, ein Interesse besteht aber auch an „Sprachmusiken", der Art und Weise wie Menschen unter bestimmten Umständen sprechen, oder wie dies durch die ein- oder andere Technologie verändert herüberkommt. Töne verorten in Landkarten, das ist dann wieder der Weg zurück zum Visuellen und derartige Arbeiten teilt Andrea Sodomka gern mit andern Künstlern – also Netzprojekte vernetzen nicht nur visuelle und akustische Phänomene, sondern auch Künstler verschiedener Sparten und Länder.

Andrea Sodomka denkt auch in anderen Räumen, als in denen die vorgegeben zu sein scheinen; da geht es längst nicht mehr um crossover, bei der Arbeit „Alien City" wurde eine sich permanent verändernde Stadt im Cyberspace konstruiert, in der es vor allem keine Ausländer gibt, weil das Bürgerrecht auch gleich neu erfunden wurde.

Mit dieser weiten Basis an Ausbildungen, einer Praxis bei Kunst am Bau Projekten, Radiokunst, und Projekten in diversen öffentlichen Räumen, ist sie nun bei „alien productions", einer Plattform für Projekte in unterschiedlichen Medien, die sie gemeinsam mit einigen Künstlern realisiert, gut aufgehoben. Die „alien productions" findet man im Kreise gleichgesinnter Webprodukte unter www.mur.at.

ARCHITEKTUR AUF DEM PRÜFSTAND: „Beyond Architainment"

Neue Architektur aus Österreich, Teil 3, fachkundig zusammengestellt von Otto Kapfinger.

Es geht wieder um Architektur. Die Zeiten, in denen sich Architekten so sehr als Künstler gefühlt haben, dass sie gleich in andere Disziplinen abgewandert sind, scheinen dem Ende zuzugehen.Um Produkte die den Nutzer ernst nehmen und ihn dadurch auch eher finden, geht es in Ausstellung (Architekturzentrum Wien, bis 10.3.2003) und Buch (Springer) unter dem Titel „Kommende Architektur".

Das Buch hat die Qualität eines Nachschlagewerkes, Fakten, Daten, strenge, schwarzweiße Bilder, ein handliches Format, zielen auf konkrete Nutzer. Die Bezauberung des Ausstellungsbesuchers oder Bildbandbetrachters scheint nicht das Ziel zu sein. Gebaute Architektur wird im Zusammenhang mit der konkreten Aufgabenstellung dargestellt; sei es nun ein Zubau zu vorhandenen Substanzen, die Bewältigung einer heiklen Grundstückslage in einem geschützten Gebiet oder die Sichtbarmachung der Gebäudenutzung durch Transparenz und Signalwirkung. Vernunft hat wieder Saison, zumindest bei Bauherren und Architekten.

Damit es aber doch auch etwas Genüssliches fürs Auge gibt, wird von „ZONE" von jedem Architektenteam ein Bauwerk in einem Video dargestellt. Die „Schreibweisen" der Architektengruppen verstehen sich gleichzeitig als Logo.

Die fünfköpfige Architektengruppe AllesWirdGut punktet mit stadtplanerischen Aufgaben, die sich vom Gedanken des Konservierens alter Substanzen emanzipiert hat. Neue Strukturen, die multifunktionale Events auf historischen Marktplätzen ermöglichen, aber dennoch das spezielle Ambiente wahren, stehen neben noch ungewohnt wirkenden Vorschlägen „gegen die Umfahrung von Orten", da sie diese ja im wahrsten Sinne des Wortes stilllegen, abkoppeln.

Feyferlik/Fritzer spezialisieren sich darauf, mit einem Minimum an Aufwand, ein Maximum an Raumqualität zu erreichen. Raum und Umfeld werden als interaktives Ganzes betrachtet.

Holz Box Tirol scheut sich keineswegs vor Glas, bezüglich Holz nutzen sie vorgefertigte Elemente, produzieren möglichst wenig Verschnitt und maximale Raumnutzung. Sie haben die kostengünstigen Holzbauten der Vorarlberger Baukünstler der vorangegangenen Architektengeneration studiert und adaptiert.

one room huber/meinhart konzentriert sich nicht auf die Architektur als Einzelobjekt, als Juwel, das Bauwerk harmoniert mit einer bestimmten Landschaft, erscheint offen für diese, oft mit einer Geste des Übergangs in die Umgebung. Die leicht und locker wirkenden Bauobjekte definieren meist öffentliche Aufgaben wie Sporthallen, Klubhäuser, Kindergärten.

pool, die Architekten hatten schon als BKK 2 (Stichwort:Sargfabrik) einen Namen für Innovation mit sozialer Kompetenz. In ihrer Neuformierung als „pool" bestechen sie durch die unverfrorene Nutzung von nahezu als „nutzlos" zu bezeichnender Objekte und Situationen zu erstaunlich attraktiven Konstrukten.

PRANG Anna Popelka Georg Poduschka, gefallen mit einfachen, geometrischen Zeichen, die aus Bauten Skulpturen machen.

RATAPLAN steuern vorwiegend eine Ideologie bei, Teamgeist ist angesagt. Alle machen alles, Spezialisierungen nach besonderen Talenten innerhalb der Gruppe werden nicht angestrebt, demnach ist ihnen Anonymität kein Problem.

Riccione konzentrieren sich auf „naheliegende" Lösungen eines Problems, einer Aufgabe, die „Mission" des „Künstlers" steht nicht im Vordergrund.

franz sam mischt Archäologie mit Architektur, er bezieht sich auf Daten, inkludiert sie und verändert sie. Das Endresultat ist zeitgenössische Architektur.

weichelbauer / ortis haben keine Scheu vor „Zitaten" und „Theorien" mit denen man heute leicht ins Postmoderne Lager verwiesen werden kann. Sie verlieren allerdings nie ihre Zielorientiertheit, das heißt: Die Zitate schwirren nicht nutzlos im Raum herum.

JANA WISNIEWSKI

ARCHITEKTUR BIENNALE VENEDIG

Der lapidare Titel NEXT, den der neue Direktor, der in London lebende Kurator und Kritiker Deyan Sudjic für diese Architektur Biennale herausgegeben hat, verleitete manche Kuratoren der Länderpavillons zur Reflektion gesellschaftlicher Bewegungen, politischen Statements, der Suche nach griffigen Philosophien oder exaltierten Selbstdarstellungen. Die Hauptausstellung, situiert in Arsenale, zeigt Weltklasse-Architektur auf dem Weg der Realisierung, materialisiert in wunderschönen Modellen, Wandbildern, Projektionen oder ganzen Environments, die auch die Materialität der Objekte fühlbar machen. Strukturiert in die Bereiche Wohnen, Museum, Türme, Arbeit, Kommunikation, Performance, Shopping, Ausbildung, Kirche, Staat und Masterplan, ist dies eine Ausstellung die nicht nur Architekten begeistern kann. Das was hier steht und hängt, ist alles machbar, soferne es um Projekte geht, oder es ist ohnehin bereits in Entstehung begriffen. Für Österreich ist festzustellen, dass Österreicher derart überzeugend mit Planungen in Realisierungsabsicht in den internationalen Ausstellungssegmenten vertreten sind, dass diese Belebungsversuche die an Kunstpraxen der Vergangenheit gemahnen, wie sie im Österreich Pavillon stattfinden glatt überrollt werden. Die Zukunft findet sowieso statt, zum Teil sogar in Österreich.

Große Potentiale in kleinen Ländern, mitunter international anmutende Arbeitsgruppen, ein neu erwachtes Verantwortungsgefühl für Randgruppen in den Industrienationen und in der dritten Welt, die Rückbesinnung auf einfache Lösungen, Respekt vor der Natur, daneben kühne Konstrukte mit neuen Materialien, die aber wirklich voll nutzbar sind und nicht nur schöne Raumverschwendung darstellen, das ist NEXT.

Holland wurde mit dem Goldenen Löwen für den besten Pavillon ausgezeichnet. Architekten unter 40 Jahren haben sich den neuen Herausforderungen gestellt, die gerade auch verbetonierte Quartiere mit Abbruchqualität stellen. Eine herzerfrischende Idee sind die kleinen, grünen Parasiten, Baueinheiten die auf Betonklötze gehieft, in Baulücken geklemmt oder sonst wie azyklisch eingereiht, neues Leben in harschen Strukturen verheißen. In Holland ist auch NOX zuhause, ein 10köpfiges Architektenteam, international untermischt, welches mit einem der faszinierendsten Wolkenkratzer für Manhatten aufscheint, der zwar kompakt, aber dennoch an Gewächsstrukturen erinnert, eine neue Zeit signalisiert. Im Finnischen Pavillon besticht ein Projekt, welches sich mit der Afrikanischen Lebensrealität auseinandersetzt und nicht nur Formen und Farben findet, nicht nur Nutzungsstrukturen schafft, die den Einwohnern auf den Leib geschrieben sind, auch die Natur wird respektiert.

Tamás Nagy verarbeitet rote Ziegel oder Quadratische Holzrippen zu einfachen, anheimelnden sakralen Strukturen – Kirchen werden zu Heimat. Der Ungarische Pavillon ist diesmal vollkommen weggetreten von den technikverliebten modernistischen Strukturen und pflegt schiere Wohnlichkeit. In Israel überlegt man was zionistische Architektur ist und kommt für diese Biennale zu dem Schluss, eine vielsagende Fassade zu gestalten, ein Haus das nicht betreten werden kann – das Leben dahinter pulsiert als Fluidum (Video) das nur durch Sehschlitze blitzt. Im Spanischen Pavillon wird Geschichte und Gegenwart vernetzt. Auf dem Teppich der Geschichte sind Screens platziert, auf denen Themen der Gegenwart spielen. Der Betrachter erwandert sich die unterschiedlichen Motive. Der Französische Pavillon hat sich den Kontexten verschrieben. Auf den ersten Blick sieht das nach Kunstausstellung aus, doch wie man die Franzosen kennt, bauen sie ja ihre Visionen. Aktuell kommen die exotischen Gewächshausstrukturen von Jakob+MacFarlane als Entgegnung auf die Dekonstruktivisten gerade rechtzeitig um aus Manhatten eine Plantage zu machen.

In dem neuen Buchgeschäft in Arsenale präsentierte der Stararchitekt Jean Nouvel sein neuestes Buch: The permanent Emergency – die Kette unvorhergesehener Ereignisse wird also nicht abreißen.

JANA WISNIEWSKI

ARCHITEKTURZENTRUM WIEN im Aufwind

Nach 10 Jahren kämpferischer Agitation wirkt Dietmar Steiner beruhigter, das Architekturzentrum Wien wird von der Stadt Wien ausreichend unterstützt und Kommissar für die Architekturbiennale Venedig ist er auch kürzlich geworden – das sieht nach guten Perspektiven aus. Für Bibliothek und Datenbank wünscht man sich allerdings noch Unterstützung vom Bund.

Der Anspruch, die Nummer 1 im Reigen der die Architektur vermittelnden Institutionen zu sein? zu werden, wird natürlich von anderen Häusern, die auch Fläche haben und im Kunstkontext arbeiten, wie MAK und Künstlerhaus, nicht tatenlos hingenommen und die Architektenvertretungen, Zentralvereinigung, Kammer, Orte, wollen auch ein Wörtlein mitreden. Tatsächlich arbeitet aber Az W besser mit Architekturvermittlern (Ringturm) und den nun in fast allen Bundesländern etablierten Architekturhäusern zusammen – von den Tätern zu den Theoretikern, so könnte man den nicht mehr ganz neuen Trend beschreiben.

Besser als auf dem Ausstellungssektor war Az W in den 10 Jahren bezüglich Trendforschung und Vermittlung, die Symposien, Kongresse, oder díe Kongresse mit angeschlossener Ausstellung, da hat das Az W wohl Marktführerschaft erreicht.

Die Vermittlung bleibt auch ein zentraler Anspruch, die Sonntags – Architekturführungen, die es schon länger gibt, haben nun durch Bibliothek und Datenbank und den neuen Räumen für Leser und Kinderbetreuung, das originelle Cafe, eine Ausweitung erfahren, die zur harten Konkurrenz für andere Anbieter wird.

Neben dem Wiener Architekturkongress, der stets informativ war, wird 2002 nun Wien auch die Ehre des Weltkongresses zuteil. Zum Highlight der Kongresse, wird sich noch eine spezielle Recherche gesellen, das Az W wird sich nun den östlichen Nachbarländern zuwenden, und da diese im weltweiten Architekturkontext noch nicht so bearbeitet sind, wird das Az W mit dieser Recherche sicher punkten können. Dennoch, die Architektur findet nicht im Saale statt, daher ist ein Vergleich auch bezüglich finanzieller Ansprüche mit Kunstmuseen, die ja auch reale Werke sammeln sollten nicht gegeben.

JANA WISNIEWSKI

ART BASEL – Art Unlimited

Die Art Basel (13.-18. 06. 01) versammelt nicht nur die besten Galerien der Welt, sie hat nun auch Frieden geschlossen mit der Off –Szene und punktet mit einer neuen Einrichtung, der ART UNLIMITED, einer jurierten Ausstellung großer Künstlerprojekte, die in der Halle 1 auf 12.000 Quadratmetern im gekonnt marginalen Ambiente, erbaut von Theo Hotz, jeder großen Museumsausstellung Konkurrenz machen können. ART UNLIMITED hat kein Thema und es handelt sich auch nicht um „alternative" oder „junge" Kunst, die hat ihren Auftritt bereits einen Tag vor der Eröffnung der Basler Messe und bietet dem Nachwuchs beste Chancen, denn natürlich wird sie von den Galeristen und Kuratoren besucht. Die Art Unlimited zeigt einen Querschnitt aktuellen Kunstschaffens, entscheidend ist nur die Qualität und der Faktor „Größe", denn jedes der 67 erwählten Projekte würde fast eine Ausstellung für sich ergeben. Aber, gerade der Mangel an Thema, ergibt ein wunderbares, uneingeschränktes Bild dessen, was Künstler aus aller Welt heute bewegt und was Galeristen bereit sind mitzutragen. Die Großprojekte richten sich sowohl an ein Publikum, das aus aller Welt anreist, als auch die zahlreichen Museumsdirektoren, die innerhalb dieser Woche auch auf einen Sprung vorbeikommen und sich durchaus für das ein oder andere Projekt erwärmen konnten. Es handelt sich hier zwar ausschließlich um „Galeriekünstler", doch wäre es vollkommen falsch anzunehmen, dass „verkäufliche" Kunst irgendetwas mit Anpassungswille an einen irgendwie vorgedachten Käufer zu tun hat. In allen Medien und in allen Altersklassen, in allen Ländern ist man fündig geworden, wir befinden uns bereits jenseits von Westkunst und jenseits eines Diskurses ob die Kunst irgendjemanden zu wenig oder zu viel „politisch" ist. Botto & Bruno zeigen ein ergreifendes modernes Stadtbild (jenseits von gut und böse – jenseits von Ort und Zeit) basiernd auf Fotos, als Riesensiebdruck auf Trevira. Hans Hemmert heißt die Besucher Platz zu nehmen in einigen netten Autos, vor ihnen eine eine Videowall die eine mehr oder weniger schöne Aussicht abspult, Träume oder Alpträume, wie sie eigentlich erst auftauchen wenn man die Augen schließt, Geschichten die sich so oder anders wiederholen. Zwelethu Mthethwa zeigt auf einer dreiteiligen Video-Rauminstallation ein Ritual, das sie Wiedergeburt nennt. Karin Sander bietet einen Bodyscan an, der in der Folge zu einer bezüglich der Formen naturgetreuen Kleinskulptur führt, die ihre „virtualität" durch extreme Farbgebung erhält. Fiona Tan macht sich mit einem Bündel Luftballons davon, man sieht wie sie über Wiesen und Bäume abgetragen wird, dann nicht abstürzt, der Schnitt lässt jede Vermutung offen und setzt fort mit dem Beginn der Story. Die Kunstwerke haben durchwegs sehr starke, aber keineswegs plakative Aussagen und sie befinden sich auch jenseits des Selbsterfahrungstrips, die uns durch kuschelweiche Labyrinthe, Beschallungen, Biosümpfe führten (mit einzeln anstellen). Mitdenken ist angesagt, kombinieren, raten, in sich fühlen. Der kleine Junge, der auf einer riesigen Leinwand nur raucht und hinter dem Rauch fast verschwindet, möchte einmal Koch werden, wenn er groß ist, lässt uns die Künstlerin Maria Marshall wissen, was er da wirklich raucht, allerdings nicht. Einfache Zeichen, mit vieldeutiger Auslegungsmöglichkeit, die den Betrachter ernst nimmt und ihm nichts vorkaut, das scheint ein guter Ausbruchsversuch zu sein aus Markt und Mode, Kuratoreneitelkeit und allzu viel Belehrung.

Die Österreicher sind stark vertreten, sei es als Galeristen, sei es als Künstler und Erwin Wurm zierte gleich einmal als Aufmacher die Basler Zeitung. Peter Kogler bei Galerie Artelier, Elke Krystufek bei Galerie Kargl, Muntean/Rosenblum bei Galerie Kulli, Walter Niedermayr bei Galerie Villepoix, Gerwald Rockenschaub bei Galerie Kargl, Erwin Wurm bei Galerie Krinzinger, geich mit zwei Installationen, das ist schon eine starke Präsenz, für ein so kleines Land. Den Imagewandel durch „Ausstopfen" hat Erwin Wurm bei Personen und bei einem Auto angewandt. Von Körper auf Geist zu schließen, das sind wir in unserer durchgestylten Welt so gewohnt, aber über den „pausbäckigen" hautfarbenen Alfa Romeo kann man schon herzlich lachen.

Jana Wisniewski

Von Erwin Wurm sind leider nur Werkfotos im Katalog, da kann man sich nicht viel vorstellen, daher sende ich andere Bilder.

ART COLOGNE Die älteste Kunstmesse (34.Ausgabe) in neuer Aktualität

Köln will sich im internationalen Konkurrenzdruck den Ruf der Kunststadt nicht nehmen lassen und setzt entsprechende Anstrengungen. Die Installierung von Kaspar König als Direktor des Ludwig-Museums hat dem unermüdlichen Strategen in Sachen Kunst bereits den Spitznamen „König Ludwig" eingebracht und der Stadt Hoffnung auf mehr Attraktivität im internationalen Kontext. Die Messe hat 21 junge Galerien zugelassen, prämiert Förderkünstler und setzt auf die etwas vernachlässigte Skulptur. Auffallend ist ein erneut erwachtes soziales und politisches Bewusstsein der Künstler und der Transport der brisanten Ware durch alte und neue Galeristen. Das Neue an der Kunst wird wieder mehr durch Inhalte denn durch Technologien oder moderne Ästhetik vermittelt. Das kann auf den ersten Blick dazu verführen, zu sagen, es hat sich nichts getan, das ist ja alles konservativ. Da möchte man aber mit der Leuchtschrift von Mauricio Nannucci sagen: „ALL ART HAS BEEN CONTEMPORARY", Künstler leben jetzt und machen Dinge bewusst oder arbeiten an Entwicklungen. Die soziale Lage hat viele Gesichter, ob das nun „A Homeless Woman" von Sco-jo KIM ist, das „Ranking" der Frauen von Birgit Jürgenssen, „XY UNGELÖST" die Erinnerungsarbeit an den Serbien/Kosovo – Konflikt von Milica Tomic oder „Gong Yuan 2000" die immer noch, immerfort lächelnden Riege von Yue Minjun. Auch wenn sich ganz aktuell Birgit Brenner (eine Förderkünstlerin) einen roten Pullover strickt, dessen Rollkragen mit Sehschlitzen zur vielleicht unvermittelt nötigen Tarnung taugt, ist das zwar plakativ, aber auch ironisch. Ein wenig Galgenhumor wird auch dabei sein, denn der „Kulturbetrieb" hat die Künstler nicht satt gemacht, daher gibt es auch dahingehende Diskussionen und Arbeiten die sich mit den Ärmsten solidarisieren. In einer der Förderkojen demonstriert Friedrich Kunath die „Mitmenschlichkeit" der Zeitgenossen. Auf einem Video stürzt der Künstler da und dort im öffentlichen Raum und die Leute sehen hin, oft ungerührt, manche heben seine Tasche auf, aber niemand hilft ihm auf die Beine. Da wird sein Treppenbild „NO HOME, NO FOOD, NO SEX" vielleicht nicht ganz aus der Luft gegriffen sein. Kunst hat wieder was zu sagen zu Sein und Schein, erschöpft sich nicht in Theorien und bedarf offensichtlich auch nicht des modischen Events. Kunst ist auf der Messe nicht mehr Ware als sonst wo auch,

Jana Wisniewski

ATELIER VAN LIESHOUT – Bawag Foundation

Joep van Lieshout, ein Künstler mit vielfältigen Talenten, die er ebenso unbekümmert wie strategisch einsetzt, gründete 1995 das Atelier van Lieshout AVL, eine künstlerische Arbeits- und Lebensgemeinschaft, die inzwischen schon 35 Mitarbeiter hat. Das Studio am Rotterdamer Hafen hat er inzwischen zum freien Staat erklärt, AVL-VILLE ist ein autonomes Wirtschaftsunternehmen, das die unterschiedlichsten Überlebensstrategien konzipiert und die dafür nötigen Gegenstände konstruiert, von marginalen Tischen, über alternative Großküchen zur Mobilen Denkzelle und dem Instrument für Jagd und Selbstverteidigung, dem Gewehr. Die Ansätze sind disparat, denn einerseits wird da eine biologische Wasserreinigung entworfen, ausgerechnet für Wien, wo das Wasser sowieso weit besser ist als an vielen Orten der Welt, andererseits ist man schon nach 10 Minuten Aufenthalt in der Galerie von dem „Duft" der zahlreichen Polyesterobjekte betäubt. Der Anspruch Kunst und Leben zu verflechten, gelingt auf eine rüde Art. Mit den elementaren Bedürfnissen, in elementarem Design wird vor allem eine Ideologiediskussion losgetreten und das auch immer wieder im Schaukasten, also in Museen, Open Air Festivals, sprich im Kunstkontext. Das Modell der Piraterie zielt auf Öffentlichkeit und wird vermarktet. Die Ware ist aber nicht wie bei Taxi Orange der Mensch, mit seinen mehr oder weniger originellen Darstellungsformen, die Ware, das sind die Objekte, die fallweise in Kunstsammlungen landen oder zu Aufträgen inspirieren. In erster Linie ist es die faszinierende Idee des autonomen Lebens in einer selbst konzipierten Umwelt. Diese Idee ufert immer mehr aus. Waren es zuerst Wohncontainer, später allerlei Konzepte für Selbstversorgung, Energie, Nahrung, ist man nun schon beim eigenen Geld, einer Minidemokratie und wenn man so will, einer Minireligion, die individuelle Freiheit mit Ehrlichkeit und Gleichheit zu kombinieren sucht. Vorwärts, zurück zu den Wurzeln könnte man sagen, noch einmal das Rad erfinden und die Moral. Was du nicht willst was man dir tut, das füg auch keinem anderen zu, das hatten wir schon und das würde ja auch als einziges Gesetz genügen, in einer Gruppierung die Vergnügen am permanenten Experiment hat, auch wenn das ein oder andere Gerät eher vorsintflutlich anmutet. Der Geschäftsgeist ist allerdings heutig, denn mit einer nimmermüden Gulaschkanone und fleißigem Zwiebelschneiden vor der Presse rührt man einfach das Kunstvolk zu Tränen der Begeisterung. Während die Kommune in Rotterdam, der Kulturstadt 2001 die wilde Freiheit vorlebt, jettet der Chef nach Wien und serviert „autonomes" Gulasch aus seiner „Wiener Küche" extra konzipiert für die Ausstellung in der BAWAG.

Jana Wisniewski

BAUHERREN-EHRUNG der Zentralvereinigung der Architekten

Der Bauherrenpreis ist zur unverzichtbaren Einrichtung geworden, das beweist jedes Jahr eindringlicher die Ausstellung der geehrten und der nicht geehrten Projekte im Architekturzentrum Wien. Private und Kommunale Projekte werden zunehmend eingereicht, nur zu gern lässt man sich Qualität bescheinigen, wobei hier nicht nur kühne Experimente, sondern auch vorbildliche Revitalisierung gemeint sein kann. Eigentlich ist man überrascht wie viel vorbildliche Architektur dann doch realisiert wird in Österreich, auch wenn bei der Preisvergabe immer kleine Geschichten anklingen, die auf die Notwendigkeit großen Stehvermögens hinweisen. Von allergrößter Wichtigkeit ist die Kommunikation zwischen Architekt und Bauherr. Besonders seitens der Architekten ist man in Österreich froh darüber, noch mit realen Personen, ob es nun Privatpersonen oder klar definierte Zuständige der Kommunen sind, verhandeln zu können, was im internationalen Kontext oft nicht mehr gegeben ist.

Als unkonventionellstes Projekt kann man die Schlosserhalle mit Bar in Trumau NÖ. bezeichnen, ein kleines Architekturjuwel auf der grünen Wiese, ein Kubus aus rostendem Eisen mit eleganten Fensterschlitzen. Hier haben sich die „pool Architekten" mit Uschi und Ernst Hofmann nicht nur blendend verstanden, beide Seiten bewiesen auch bei der Verleihung Sprachwitz. Den Spott der Landbewohner wird dieser Bauherr aushalten und sicher wird sich das Blatt auch ganz schnell wenden. Als engagiertester Privatinstanz in unübersehbarer Größenordnung wurde den Kunstsammlern Essl und dem Architekten Heinz Tesar zum Neubau eines Museums in dem man Kunst auch wirklich zeigen kann, gratuliert. Das schicke Hochhaus am Donaukanal, hat laut Bauherr Generali (in den letzten Jahren angenehm aufgefallen) nicht nur bezüglich optimaler Nutzungsmöglichkeit bestochen, es hat sogar dem Konkurrenten Jean Nouvel gefallen. Gern schmückt sich Generali mit Weltstar Hans Hollein, hat aber auch schon jungen Architekten zum Beginn einer Karriere verholfen. Auch mit schlichten Gebäuden für kommunale Nutzung kann man Preise gewinnen, der Kinder- und Jugendhort Taxam von den jungen Architekten Flöckner und Schnöll dient als Beweis. Hier geht es um die Adaption und Erweiterung einer vorhandenen Bausubstanz, das Resultat wirkt aber sehr locker und angenehm. Zu betonen bleibt, dass dieses Projekt der Stadt Salzburg gelungen ist, denn ganz Restösterreich leidet mit, der lokale Architekturzirkus wird mit Bedauern zur Kenntnis genommen.

Jana Wisniewski

BLICKWECHSEL, LIQUID KÜNSTLERHAUS, GLOBAL TOOLS die gleichzeitige Eröffnung eigenverantwortlicher Ausstellungskreationen im Wiener Künstlerhaus.

Wie ein „Künstlerhaus" ohne Fremdbespielung durch Bund und Stadt aussehen kann, zeigt sich nun exemplarisch: Als Wundertüte kontroversieller Auffassungen auf hohem Niveau. Und, obwohl es sich keineswegs um einen „Staatsakt" handelte sah man an diesem Abend massenhaft Prominenz, von Hollein und Seipel angefangen, bis zu jungen Talenten, einem Zukunftspotential.

Das echte Überraschungspaket war die Mischung von „klassischer" Architektur, großmaßstäblich, wie sie Albert Wimmer repräsentiert (vom Donaukraftwerk Wien Freudenau bis zum Stadion Tivoli Neu in Innsbruck) , dem ewigen Experimentator und Enfant Terrible der Architektur, Heidulf Gerngross und der Verfasserin meist computergesteuerter Lichtkunststücke und „Kunst am Bau" Projekte Waltraud Cooper – vorübergehend bündelten sie ihre großen Visionen unter Liquid Künstlerhaus als Work in Progress. Inhaltlich sehr strikt sind alle drei Künstler. Albert Wimmer arbeitet immer von innen nach außen, also vom nutzungsorientierten Konzept zur äußeren Gestalt hin und überschlägt sich keineswegs im überholen aller bis dahin dagewesenen Potentiale. Seine Vision ist das bestmögliche Raumnutzungskonzept, erstellt durch zeitgenössisch relevantes Formvokabular. Heidulf Gerngross hat hingegen immer wieder über die Häuser hinausgedacht, alle bestehenden Reglementierungen zu brechen gesucht, er ist immer auf dem großen Trip zu neuen Ufern. Waltraud Cooper hat angefangen von ihrem „Friedensfries" für die Uno City Wien, bis zum Regenbogen der die ganze Welt umspannt immer großmaßstäblich Politik gemacht mit ihrer „digitalen Poesie", durch die Botschaft der Kunstwerke, nicht durch (partei)politische Wortspenden. Mit Richard G. Künz (Blickwechsel) in der Hausgalerie setzt sich diese Präsentation einer strikten Lebenslinie in der Kunst fort, der Bildhauer/Architekt geht den Ausdrucksweisen und ihren gegenseitigen Wirkungen aufeinander nach, diesmal nicht nur in den für ihn typischen Materialien Ziegel und Holz, er berichtet über Wahrnehmung auch durch Fotoserien, die über die „Vergrabung" einer in Plexi gegossenen Coladose auf einer historischen Ausgrabungsstätte berichten, oder die Aussagekraft alltäglicher Handlungen testen.

Global tools – Design im Zeitalter der Intensivstation, eine aktuelle Designrecherche, bezieht sich auch auf eine Ausgrabung: der Titel global tools geht zurück auf eine Designinitiative von 1973. Programmatisch nahmen diese Designer vorweg, was nun mehr oder weniger Wirklichkeit geworden ist, das Design hat neben der Dingwelt, die Verhaltensformen und die Denkmuster geprägt. Die zwei Kuratoren Vitus H. Weh und Tulga Beyerle haben Material sichergestellt, das sich für die globalen, atmosphärischen Planungsräume eignet, oder sie in Miniaturausführung spiegelt (Spielzeug und Sofware für Kinder und r Erwachsene) Aber auch Überlebensanzüge aller Art, vom wasserdichten, aufblasbaren Übernachtungsanzug für die Parkbank bis zum Miniaturbüro, das womöglich gleich in die Bekleidung eingepasst wird, bis zum Beautycase, das die „Schönheit der Ideen" als Bilderbüchlein mit einem Kompass und einem VierZellenFotoapparat als aktuellen Geschenkskoffer verbindet, werden angeboten. Das jeweilige Ambiente für die „Themenparks" bereicherte durch herkömmliche Designpraxis. JANA WISNIEWSKI

MALEREI AUF LEINWAND UND AM BILDSCHIRM

2 Positionen gesehen auf der II Bienal International de Arte de Buenos Aires

Der Einfluss ist offenbar wechselseitig: Von den medialen Artikulationen zur Malerei, sowie von den traditionellen Techniken und Intentionen der Malerei, hin zu neuesten Technologien, dem Bild im Internet oder als Computerdruck.

Ob mit dem Pinsel gemalt, oder mit einschlägiger Computersoftware, Malerei zielt wieder auf unmittelbares Erlebnis durch den Betrachter. Auch das „Politische" in der Kunst eröffnet sich als feinsinnige Anspielung die unmittelbar sichtbar wird, nicht mehr als Zitat von Texten, nicht mehr als erklärungsbedürftiges Konzept oder Rechercheprojekt im Stile des Journalismus. Angenehmer Nebeneffekt bei diesen Kunstkonstellationen: Die Sprachbarrieren werden kleiner.

Judith Barath (Ungarin in USA)malt mit Corel Draw und transferiert in Photoshop, setzt ihre Bilder ins Netz oder druckt sie aus. Den umgekehrten Weg geht sie nach eigenen Angaben nicht, sie „übermalt" nicht Fotos in Photoshop, es handelt sich um „reine" Malerei am Computer. Sehr häufig sind es weibliche Porträts, die mit verschiedenen Botschaften aufgeladen sind. Auf ihrer Website präsentiert sie eine Reihe solcher Porträts, deren Augen alle der Maus folgen, wenn man nach einer sensitiven Stelle sucht. Zu ihrer „gesellschaftspolitischen" Wirkung könnte man schon rein die Tatsache zählen, dass sie den Anwesenheitsgrad von Frauen im Netz erhöht und dabei noch die tollsten Webby Awards gewinnt. Gleichzeitig beweist sie auch „kunsthistorische" Bildung, denn es waren ja einige Herrscherporträts (Schloss Schönbrunn) die dem vorbeiziehenden Betrachter nachschauten.

Der spanische Künstler JARR (Joan-Antoni Rodriguez Roca) geht den umgekehrten Weg. Er ist offenbar nicht ganz einverstanden damit, was Medien und Mode aus den Menschen machen. Seine Tafelbilder beziehen sich auf Weltpolitik, die Haltung von Religionen, auf Diktate, Moden und Akzeptanzen. Die „Berieselung" durch amerikanische Erfolgsrezepte thematisiert er ebenso wie das Machtstreben der katholischen Kirche. In „La Mistica de la Musica" behandelt er die „Musik der Kriege", die Verführungen, hemmungslosen Zerstörungen von Kulturgut, das gegenseitige Unverständnis und die allseitige Akzeptanz von Gewalt in unterschiedlichem Kleide. Auch dieser Künstler nützt eine historische Bildbotschaft, den „verewigenden" Goldhintergrund der Byzantinischen Kunst. Mit seinen „Definitionen" von Jesus, von Batman, von Adam und Eva, von den Welten diesseits und jenseits des Äquators übt er scharfe Kritik, die aber durch die Schönheit der Bilder auf eine gewogene Aufnahme zielt. Symbolhaft könnte man sagen: Der Künstler schlägt den Krieger mit den gleichen Waffen.

JANA WISNIEWSKI

CAT Contemporary Art Tower – der Gefechtsturm im Arenbergpark als „heaven´ s gift" ?

Mit dem Projekt einer "neuen programmatischen Strategie zur Präsentation zeitgenössischer Kunst" ist Peter Noever rund um die Welt gezogen, nun kann man das Projekt vor Ort, also im Gefechtsturm begutachten. Zum inhaltlichen Programm wird es divergierende Meinungen geben, die Aussicht von der Plattform und zukünftigen Terrasse ist aber wirklich ein Geschenk des Himmels.

Will man die nicht mehr abreißbaren Relikte nationalsozialistischer Herrschaft als Herausforderung für die Kunst verstehen, oder möchte man die Kunst doch lieber von dieser Bezugnahme befreit wissen? Bekommt die Kunst nicht ohnehin zu viele Vorgaben, vom Jahr der/des.....über die Bezugnahme auf den Ort bis zu ihrer Überlebensfähigkeit im Kunstmarkt, wozu man auch den „Markt der Museumsausstellungen und Festivalbeteiligungen" rechnen müsste? Lässt sich politisches Engagement in der Kunst überhaupt noch an Orten mit Geschichte festmachen ? Die aktuelle Kunst hat jedenfalls zahlreiche Transportmittel gefunden (Film/Video, Fotografie, Zeitschriften, Internet) die autonom und flexibel unterschiedliche Orte besetzen können und vor allem immer häufiger eine Internationalität der Problemstellungen signalisieren.

Statt einer Sammlung, die durch den Ankauf von Werken stattfindet, sollte im CAT ein Artist in Residenz - Programm dafür sorgen, dass eine Sammlung zeitgenössischer Kunst entsteht, die verortet ist durch Bezugnahme und Installation.. Nun war es aber gerade Peter Noever, der zu Beginn seiner MAK-Laufbahn feststellte: „Ich sammle keine Objekte, ich sammle Erfahrungen", ein Anspruch der im ehemaligen Museum für Industrie und Gewerbe ebenso irritierend war wie nicht einhaltbar. In der Kunst sind immer wieder Ausbruchsversuche unternommen worden (Aktionismus, Happening) Kunst jenseits von Marktwert anzusetzen, doch ist noch jeder Ausbruchsversuch rückwirkend gesammelt worden. Die brachiale Ästhetik der Gefechtstürme kann als Reiz verstanden werden, im Reigen der azyklischen Orte für Kunst, Jenny Holzer´s Medienschiene und die künstlerische Intervention von James Turrell verstärken das Image einer von Künstlern geprägten Struktur bezüglich Gestaltung und Vermarktung. Dennoch kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass nun der Begriff „Angewandte" eingezogen ist, denn wirklich radikale Künstler brechen ja aus Kontexten aus und werden an „anderen" Orten, mit „anderen" Zeichen gefunden.

Jana Wisniewski

CENTRAL – Neue Kunst aus Mitteleuropa – MuseumsQuartier Wien

Neue Kunstquartiere, neue Kooperationsstrukturen, neue Firmenstrategien vor dem Hintergrund neuer politischer Ziele – artLab (Siemens Österreich+Galerie Hilger chartern zwei Fachleute als Kuratoren (Carl Aigner+Lorand Hegyi) und platzieren eine Ausstellung im Museumsquartier. Solche und ähnliche Vorgehensweisen wird es in der Zukunft der nicht mehr vom Staat getragenen Kulturszene vermehrt geben, wie sehen die Resultate aus?

CENTRAL konzentriert sich auf Völkerverständigung und auf das Internationale in der Sprache der Kunst, der Kunstraum Mitteleuropa stellt sich heute als integriert dar. Die Formen, die Kunstsprachen, überraschen nicht, da gibt es ja vielleicht mitunter zuviel Konsens im Kunstkontext. Die Inhalte lassen aber doch auf Betroffenheiten schließen, die von Künstlern formuliert, vielleicht doch sagen, was auch viele andere Menschen fühlen, erleben, bedenken.

Mihael Milunovic (Belgrad-lebt derzeit in Paris) versieht die Nummerntafeln von Autos mit verbalen Zeichen (Hunger, War, Hate, Plague) bedient sich aller Sprachen die er kennt und bezeichnet einen Motor, der von allen als verletzend empfunden wird. Felix Malnig (Nürnberg-lebt derzeit in Wien) druckt Fotos von Wohnhäusern auf die klassische Luftpolsterfolie mit der man Kunstwerke beim Transport schützt. Himmelblau und durch die Struktur gerastert, ähneln sich alle Heimaten, oder jedenfalls die Verpackung die man diesem Begriff gern geben möchte. Andreas Leikauf, ein Steirer in Wien, erinnert mit seiner lapidaren Kraft der Malerei an die Welle jener Landburschen, die Österreichs „Neue Wilde" der 80er Jahre stellten: Wie viel Zeit ist wie viel Geld? Ist eine der aktuellen Fragen die notgedrungen alle Arbeitnehmer beschäftigen und im Kontext seiner Bildtafeln einen jener Gedanken formulieren, die er in die Bilder schreibt. Ivana Keser stellt lokale Zeitungen aus, als Aktionsfeld, als Skulptur. Sie ist in Zagreb geboren und lebt auch dort – Öffentlichkeit ist ihr Thema – ihr Statement dazu meint, dass Zeitungen nur lokal funktionieren können (der Betrachter braucht die Codes um wirklich zu verstehen).

Nichts dem Zufall überlässt das Euromarketing(komplett-dirket-gewinnbringend)

Inmitten einer Kunstausstellung entsteht aber dennoch die Frage, warum die schöne Welt grenzenloser Vernetzungen und grenzenloser Möglichkeiten immer wieder so schnell an ihre Grenzen stößt, die da Hunger, Krieg, Vergewaltigung heißen und welche Funktion Künstler in Zukunft haben dürfen, wollen oder können.

Jana Wisniewski

CODE – Die Sprache unserer Zeit - ARS ELECTRONICA 2003

Code verweist nicht nur auf Computertechnologien und Netzstrategien, Code verweist auch darauf, dass Sprache durch Zahlen ersetzt wird; der Code ist ja meist eine Aneinanderreihung von Zahlen oder eine Mischung von Zahlen und Buchstaben. Von Sprache im herkömmlichen, kommunizierenden Gebrauch kann da wohl kaum die Rede sein. Der Code ist ein Befehl der Türen öffnet und schließt, ein sehr genauer Schlüssel, der alle gnadenlos ausschließt, die ihn nicht kennen. Für Künstler war es auch bisher eine Herausforderung, Sprachen, Codes, Bedeutungen zu kreieren oder zu modifizieren, nun stellt sich die aktuelle Frage: Knackt die Kunst den Code, oder der Code die Kunst?

Im Raum stehen derzeit diverse restriktive Bemühungen, Kontrollmechanismen welche bereits etablierte Hersteller schützen sollen vor Zugriffen auf ihre Waren. Dabei entwickelt sich eine ebenso überzogene Vorstellung von Schutzmechanismen wie bei der Terrorbekämpfung. Wissenschaftler, Techniker und Künstler, beziehungsweise Persönlichkeiten die als Mix aus diesen ehemals gültigen „Berufsbezeichnungen" zu verstehen sind, bangen um die Freiheit der Forschung. Umgekehrt macht die zur Mode gewordene Virenproduktion auch zu schaffen. Für Künstler scheint die Arbeit mit und über die generellen Voraussetzungen (bit system/binärer code) derzeit besonders reizvoll zu sein, was sie aber von herkömmlichen Kriterien zur Reflektion von Kunst eher abhebt ins Reich der Wissenschaften und Technologien. Es ist nicht immer nur blankes Unverständnis, welches Arbeiten unter „technische Spielereien" reiht, es stimmt ja manchmal wirklich.

Um 0+1 dreht sich die audiovisuelle Arbeit von aschauer/pfaffenbichler/schreiber, sie verweisen auf die Vielfalt an kombinatorischen Möglichkeiten anhand von 24 Objekten. Sie tun das nicht nur passend im Zusammenhang mit dem Festival-Thema, die Umsetzung der Idee ist sowohl einleuchtend als auch ästhetisch gelungen. Kunst lebt nicht nur von der Idee allein. Auffallend an der diesjährigen Ars Electronica ist, dass es sich in vielen Fällen um die computergesteuerte Übersetzung von visuellen Aspekten in Sound oder umgekehrt dreht, oder um einen Mix von Visuellem und wenn man so will – Musik. Der Reiz des Neuen ist aber lange vorbei, die Tatsache dass Datenmengen visuell oder akustisch zur Darstellung gelangen können, trägt ein Werk heute nicht mehr. Mitunter kommt diese Praxis auch rückwärtsgewandt daher wie in Falle von Maywa Denki aus Japan, der electromechanische Musik-Instrumente kreiert, mit denen er eine amüsante Performance gestaltet. Die Musik ist aber weder neu komponiert noch in irgend einer Weise progressiv. Der „Code" steuert Instrumente zur gefälligen Unterhaltung mit ironischem Augenzwinkern. Die Instrumente haben ihren künstlerischen Wert vorwiegend als Skulptur. Weit interessanter erscheint der elektronische Musik-Bau-Spiel-Automat mit dem leicht zynischem Titel „instant city" von Sibylle Hauert + Daniel Reichmuth. Der Code ist ein Würfel mit einem Programm, den man als Spieler oder Spielgruppe aus einer Anzahl von Würfeln (Programmen) aussuchen kann. Das Programm ist eine Komposition von einem der sieben Autoren, die von den Künstlern hiefür ausgesucht wurden. Das Programm (Komposition) steuert in der Folge das Bauklötzchen-Spiel mit dem man eine Stadt errichten kann, wie der Dirigent die Musiker, allerdings nur bezüglich des Klangresultates. Der Baumeister, der Maurer und der Soundinstallateur, fallen in eine Person zusammen. Das ist eigentlich viel kreativer Spaß für einen Ausstellungsbesucher. Als interaktiver Spieler hat man oft wenig Möglichkeiten, ist nicht viel mehr als ein Knöpfchendrücker. In manchen Projekten ist zwar das Resultat faszinierend, doch lässt sich nicht nachvollziehen was man ausgelöst hat; man weis nur dass man beteiligt war (Nybble-Engine) Bei Nybble-Engine ist es vor allem die Idee, die fasziniert. Als Re-Ingenieering bezeichnen die Künstler Margarete Jahrmann und Max Moswitzer die Adaptierung eines existierenden Systems das man als Kriegsspiel bezeichnen könnte und das nun ins Gegenteil gekehrt wird.

Auch wenn es keinen Sinn macht, Kreativität in Sparten aufzuteilen, der Künstler als Wissenschaftler wird für die Betrachter immer weniger nachvollziehbar. Das Interaktive erscheint doch oft als bescheidene Möglichkeit etwas zu erfassen. Es entsteht auch die Frage ob man als Kunstbetrachter wirklich Hand anlegen möchte. Und vor allem bleibt zu überlegen ob nicht ein wenig Distanz ganz gut ist für die Beurteilung. Als nicht programmierter Besucher wird man sich vielleicht auch über die zunehmende Dominanz jener Codes wundern die da gericom, hewlett packard, voestalpine, zipfer, siemens oder wie immer heißen

Ein Beispiel für kreativen Variantenreichtum liefert ein Jugendprojekt bei u 19 freestyle computing zum Thema Bewegung. SchülerInnen der HBLA für Kunst/Linz haben als Semesterprojekt das Thema multimedial bearbeitet, sind jedoch vorwiegend beim Buchstabenflug zu ertappen, der aber so geschickt visualisiert wird, dass man beim lesen keinen Notstand hat. Im Zusammenhang mit Code erscheint es sinnvoll Buchstaben neu zu ordnen. Es ist auch angenehm statt stümperhafter Spieler, aufmerksamer Betrachter sein zu dürfen. Dem Thema Bewegung kann man schweißtreibend auch auf der Telekletterwand frönen, die am Hauptplatz an der Fassade der Kunsthochschule angedockt ist.

Zugegeben, es sieht sehr gut aus, das Dateninstallationswerk. Die Gruppe F.O.K. hat sich sehr viel vorgenommen. In Körperarbeit (Klettern) und Kopfarbeit (Programmieren) ist das Projekt Telekletterwand eingeteilt, wobei die Kletterwand das Eingabefeld ist. Tatsächlich klettern dort nicht nur aber auch blutige Anfänger und als Programmierer werden auch mehr oder weniger ahnungslose Besucher im Schnellsiedeverfahren eingeweiht. Das sieht nach multimedialem Abenteuer aus, da darf man nicht so genau nach Resultaten fragen – die Hauptsache die Seile halten!

Als Eingabe/Ausgabefeld kann man das DATENWERK MENSCH nach wie vor sehen. Darum ist es auch lohnend sich damit auseinander zu setzen. Richard Kriesche tut dies ausführlich und bezugnehmend auf die Idee von Gesamtkunstwerken. Richard Kriesche ortet für die Kunst im Zusammenhang mit dem Datenwerk Mensch einen Paradigmenwechsel, der zur Sinnkrise für die Kunst werden könnte. Die neue Natur des Menschen löst die Antithese r Kunst/Natur auf, indem die neue Natur des Menschen den Code zum Verständnis der Bilder bereits integriert und es so zur Natur der Kunst kommt, beziehungsweise zum Gesamtkunstwerk Datenwerk Mensch.....oder so ähnlich.......aber dann fragen wir wieder Kriesche......denn was würden die Künstler und Veranstalter denn nächstes Jahr tun, wenn Eingabe/Ausgabe zur Deckung kämen, beziehungsweise Natur/Kunst/Mensch zum Gesamtwerk verschmelzen würden................

JANA WISNIEWSKI

CORP 2002 TREFFPUNKT DER PLANER(INNEN) an der Technischen Universität Wien

Wer plant Europas Zukunft? War in den letzten Jahren Stadtplanung das große Thema, so ist es nun die Vernetzung der Städte, der Regionen, real und virtuell gesehen. Zum Ansehen der Städte tragen nun auch die Verkehrsknotenpunkte bei, die Bahnhöfe, Airports, Busterminals und die Netzwerke über Glasfaserkabel, die Darstellung im Internet. Die Europaregion Wien, gemeint ist eine Strecke von St. Pölten bis Györ, also die Ostregion, wird nach wie vor als Hoffnungsträger gesehen, als möglicher Knotenpunkt, der die Transfers managt, von Ost nach West, von Nord nach Süd, wenn die Osterweiterung Europas Wirklichkeit geworden ist. Allerdings, so die Kritik des Institutsvorstandes für EDV-gestützte Methoden in Architektur und Raumplanung an der TU Wien, Georg Franck, als Wissensstandort befindet sich Wien noch im Dornröschenschlaf. Wissen kann erst Exportgut werden, wenn es über die Gratis-Info, die vorwiegend dazu dient, Aufmerksamkeit zu erheischen, hinausgeht – er fordert mehr Graduiertenprogramme. Der Wiener Planungsstadtrat beeilte sich daraufhin festzuhalten, dass die Stadt Wien mit TU und UNI zu arbeiten gedenkt und bezüglich ihrer Verkehrskonzepte, eine Größenordnung anstrebt, die der Osterweiterung gerecht werden könnte. In einem „Stadtzeitung Falter Extra-Blatt" wird auch gleich diese „Europaregion als Weltmetropole" vorgestellt. Rudolf Schicker setzt also die Idee, die Bernhard Görg ins Gespräch brachte fort, nur sieht der Verbund Wien, Niederösterreich, Burgenland jetzt wie Großwien aus.

Planen oder reagieren, das bleibt auch nach der „Geo-Multimediale" die Frage, denn zunehmend tragen Bürger Verantwortung, planen Wirtschaftskonzerne schneller als die transnationalen EU-Gremien. In die Selbstverantwortung entlassen oder gestoßen, informiert sich der Bürger in den weiten Netzen und sucht sich die Vorbilder (Lehrer) selbst, die Universitäten geraten unter Zugzwang. E-Learning ist im Vormarsch, das Internet hat die CD-Rom abgelöst, dennoch kann immer wieder festgestellt werden, dass nichts über einen guten Vortrag geht, bei dem man schneller als bei so mancher hochgepriesenen Software, das Wesentliche erfassen kann. Von der Praxis des Teleatlas bis zu virtuellen Leitinstrumenten über dem Stadtraum, wie ihn der „sofar Netzkunstverein" erträumt, reichen die Datenfeststellungsstrategien. Planungsplattformen agieren zunehmend in beiden Disziplinen, der Realen, von Verkehrswegen, Knoten und Stadträumen, sowie deren virtueller Darstellung. Von der virtuellen Vision zur konkreten Strategie und retour zum papierlosen Transfer reicht die Praxis der Planer. Eine Zweiklassengesellschaft bezüglich der Nutzung neuer Technologien, wie sie jetzt noch durchaus im Raum steht, wird sich in wenigen Jahren als überholt erweisen, wenn in allen Schulen ein Laptop das Schulheft ersetzt haben wird.

JANA WISNIEWSKI

Das Künstlerhaus im Zeichen von Architekturen

Von MEGA = mächtig über SMALL and beautiful bis zu SOUNDSPACESOUND, im Künstlerhaus sind die Architekten am werken, in MEGA : Manifeste der Anmaßung ist der Ausstellungsraum auch zum Teil Arbeitsraum.

Wenn ich mit der kleinsten Ausstellung in der Hausgalerie, die den Bauten von Otto Häuselmayer gewidmet ist beginne, dann deswegen, weil sie die größte Aussagekraft hat zu Architektur und dem Umfeld, zu dem auch politische Konstellationen zählen. Seit er 1983 in der Wohnsiedlung Aspern, sich mit schlichten, perfekten Wohneinheiten bemerkbar gemacht hat, war er stets, was seine Wohnbauten, Kirchen oder Geschäftshäuser betraf, bei Kollegen und der Kritik wohlgelitten und anerkannt. Das ist eigentlich eine große Ehre, denn niemand schaut so genau wie die Kollegen. Letztlich blieb er aber als Person unauffällig und hat auch den großen Sprung in die Welt nicht geschafft, er blieb eine lokale Größe. Dennoch gelang ihm 1977 der erste Preis einer europaweiten Ausschreibung, für das Musiktheater am Linzer Donauufer. Eine durch die FPÖ initiierte Volksbefragung, die sich gegen das Musiktheater wandte ging zu seinen Ungunsten aus, eine weitere Initiative, die ihm nochmals eine Chance geben wollte, fand im Gemeinderat nicht die nötige Mehrheit. Politisch ist nicht nur dieser Verlust für die Öffentlichkeit, politisch ist auch die Sprache seiner Architektur, die mit einfachen Worten, die Menschen gut bedient.

Mit SOUNDSPACESOUND wird die Wechselbeziehung zwischen Ton und Raum, wobei der menschliche Körper auch als Resonanzraum verstanden werden kann untersucht. Bernhard Leitner, von seiner Ausbildung her Architekt, wird mit neueren Soundarbeiten vorgestellt, tatsächlich zählt er aber zu den Pionieren dieser Kunstsparte. Mit den Ton-Liegen, die spezielle Hörerlebnisse vermittelten trat er Ende der 70er Jahre z.B. auch im Museum moderner Kunst in Wien auf. In der Folge entstanden unterschiedliche Erlebnisräume oder Objekte, die im öffentlichen Raum, bei Medienfestivals, oder konkret für Kunst am Bau Projekte erdacht wurden. Der Grundgedanke bleibt gleich, die Soundstrategien, das Ausgangsmaterial, die Resonanzkörper, die Raumkonstellationen sind aber höchst unterschiedlich, vom simulierten Blick über das nächtliche Meer, bis zu einem verspielten Stop unter einem tönenden Regenschirm, reicht das was man im Künstlerhaus zu sehen/hören bekommt, auf sein Projekte im öffentlichen Raum verweist ein Buch mit allen nötigen Erklärungen zu seiner Architektur aus Tönen oder mit Tönen.

Das ganze Parterre nimmt MEGA ein, angefangen mit diversen Verweisen auf Gigantomanie, ob es nun die berühmten, nicht gebauten Turmkonstrukte, oder ziemlich kitschig wirkende Plakate sind, die Absichtserklärungen von Politikern/Parteien publizieren, zu Mega-Wohnbau, oder was immer. Darüber hinaus fallen vor allem Zynismen ins Auge, die sich mit großen Versprechungen befassen, oder alte Geschichten neu interpretieren (King Kong lässt grüßen). Mut beweisen eher älter Herrschaften, die sich zu „gutem oder bösem" Terrorismus äußern, aber die haben schon immer ZÜND UP geheißen!

Jana Wisniewski

Das Museum Moderner Kunst definiert sich neu und transportiert sich über ein neues LOGO. Ein eleganter Meteorit, ein schlichtes grafitgraues Gebäude mit beachtlichem baulichen Tiefgang, wird im Kontext des Museumsquartiers nun inhaltlich positioniert. Vorweg, am wenigsten überzeugt, worüber am meisten gesprochen wird, das Logo : mumok slw und die Ideologie der Vermarktbarkeit über ein Signet. Es werden immer noch die Sammlungen, die Ausstellungen sein, die einem Haus Ansehen verleihen ( abgesehen von der auch in diesem Fall ansehnlichen Architektur).

Zur Sammlung, die nach wie vor auf den großen Blöcken Sammlung Ludwig (slw) und der Sammlung Hahn basiert, kamen noch ansehnliche Konvolute des Aktionismus und der Arte Povera, sodass der auf Westkunst ausgerichteten Basis, ein zeitgenössischer Akzent verliehen werden konnte. Die Sammlung wird zur Eröffnung in einer historischen Abfolge präsentiert werden, beginnend bei der Jahrhundertwende und bis zu aktuellen Positionen reichend. In Abgrenzung zur Kunsthalle, sind zwar halbjährliche Neuaufstellungen innerhalb der Sammlung vorgesehen ( wie das einige Museen, etwa Frankfurt machen) kleine Ausstellungen in der Kuppelhalle und in den angrenzenden Präsentationsräumen die der Fotografie und anderen Medienkunstsparten gewidmet sind, aber keine Großausstellungen die einen Abbau der Sammlung nötig machen würden. Ausgebaut wird ein Servicesystem, das sich etwa Atelier nennt, für Ausbildungszwecke, Angebote an die VIP (Sponsoren, Förderverein) elegantes Restaurant/Cafe mit Terrasse und eine Bibliothek mit praktikablen Öffnungszeiten. Das Media-Lab wird als professionelle Anlaufstelle für Kreateure auf den Gebieten digitales Bild und digitaler Sound eingerichtet und ein eigener kaufmännischer Leiter wird sich um die Finanzen und reibungsarme Abläufe kümmern. Der Direktorsposten ist ja bereits ausgeschrieben.

Konzipiert wurde also von einer Nutzungsstrategie bis zum Eröffnungsevent von Lorand Hegyi, dem Direktor, der damit auch abtritt. Ob das logisch ist, bleibt dahingestellt. Gewöhnlich überlegt man beizeiten, wer die Neukonzeption die nächsten Jahre tragen soll und schreibt vorher den Direktorsposten aus, da ja sonst immer die gleiche problematische Situation entsteht: Ein neuer Direktor muss mit den alten Leuten arbeiten, die ihn vielleicht nicht wollen, im alten oder neuem Ambiente, das er/sie sich anders gedacht hat und anders bespielen möchte. Sein Abgang erscheint allerdings gerade jetzt unlogisch, da die schicken Events jetzt die Kunsthalle macht, Vermarktung das Museumsquartier und in weiser Abgrenzung eine international ausgerichtete Tätigkeit im klassischen Museumsdirektorenbereich übrigbleibt. Der Ort ist jetzt viel kommunikativer als die zwei Außenstellen und Rahmenprogramme zeitgenössischer Art sind reichlich geplant, werden aber sicher besser besucht werden als in den verstaubten Kunsttempeln, die mit den zahlreichen Museumsneubauten der letzten 20 Jahre überhaupt nicht mithalten konnten.

Da das mumok über keine Architektur- und Designsammlung verfügt, bleibt auch dem Architekturzentrum ein reiches Betätigungsfeld – das Museum ist hier in die Museen gegliedert und kann noch als Ergänzung auf die alteingesessenen Kunsthistorisches/Naturhistorisches verweisen. Schöne Aussichten!

Jana Wisniewski

Das neue Museum KUNSTPALAST in Düsseldorf, entworfen von Oswald Mathias Ungers, eröffnet mit der Ausstellung „ALTÄRE". Der neue Direktor Jean Hubert Martin kommt aus Paris, er hat im Louvre, im Centre Pompidou und im Völkerkundemuseum gearbeitet und möchte mit „Altäre" die Trennung zwischen Kunst und Ethnographie aufheben. Mit einer großzügigen Auffassung des Begriffes Altar, vereint er Beispiele aus der ganzen Welt, von eindeutig religiös definierten Kultstätten bis zu Stätten der Verehrung für Pop-Künstler. Die Altäre sind von Künstlern und/oder Priestern kreiert, es kann aber auch als „Künstler" eine Dorfgemeinschaft angeführt sein. Eine Akzeptanz unterschiedlicher Kulturen als gleich „wertvoll" zielt auf die Globalisierung im Museumsbereich. Nach all den Jahren voll Zynismus und Kritik in der zeitgenössischen Kunst, wirken Bildnisse zur Verehrung fast wie ein Kulturschock. Transparenter und verständlicher werden die Intentionen der „Religionsgemeinschaften" allerdings erst durch die kleinen Begleitbüchlein, welche das Gebotene verorten und erklären. Soweit dies sinnvoll schien, wurden Altäre auch geweiht und zu bestimmten Stunden werden dort Zeremonien zelebriert, die nicht als Performance, wie im Kunstkontext üblich, gelesen werden können. Kunst und Religion, ein in letzter Zeit vernachlässigtes Thema, wird in „Altäre" zur umfassenden Darstellung von Spiritualität.

DAS WIENER KÜNSTLERHAUS ALS SEILTÄNZERIN OHNE NETZ ?

Das neue Programm für 2001 liegt vor und ist nun erstmals ohne Fehl und Tadel. Der Vorstand ist offenbar über den eigenen Schatten gesprungen, hat die Ausstellungskommission und Doris Rothauer werken lassen, entstanden ist ein sehr progressives Konvolut an Ausstellungen und kommunikativen Strukturen, die dem zentralen Standort in Wien entsprechen und anderen Institutionen in unmittelbarer Nähe wahrlich nicht nachstehen. Leider kommt die Zukunft auf das Künstlerhaus schneller zu als vorgesehen. Der Bund, der einen Teil der Spielzeit nach eigenen Vorstellungen beanspruchte und dafür Miete bezahlte, stieg plötzlich und kurzfristig aus. Als Langzeitkonzept war es sicher der Wunsch des Präsidenten Manfred Nehrer, das Künstlerhaus, das nach wie vor im Eigentum der Gesellschaft bildender Künstler ist, in die Eigenverantwortung und eine zeitgenössische Bespielung fürs ganze Jahr zu führen. Auf der Basis positiver finanzieller Entwicklungen, mit dem neuen Schatzmeister Gerhard Nidetzky entledigte sich das Künstlerhaus auch überkommener Schulden, wurde man zunehmend mutiger. Mit dem Einverständnis der Vollversammlung wurde ein Wettbewerb für Architekten ausgeschrieben, die Erweiterung und Renovation des Künstlerhauses betreffend, aus Anlaß der Stadtbahn-Wendeanlage unter dem Karlsplatz, die das Feld ohnehin in eine Baustelle verwandeln würde. Mit hochrangiger Jury wurden die Architekten Jaborneg/Pallffy gekürt und zur Weiterarbeit vom Künstlerhaus beauftragt. Noch vor wenigen Monaten, die Künstler wurden wieder befragt, ob sie das gutheißen, sah die Lage rosig aus. Die Stadt Wien wollte einen adäquaten Beitrag leisten, einige seriöse Kulturinstitutionen zeigten sich interessiert an Anmietungen, nicht zuletzt weil sich ja auch bezüglich des Programmes eine Imageverbesserung abgezeichnet hatte.

Nun sieht sich das Künstlerhaus ganz vehement in Zugzwang, nicht bezüglich einer Überlebensfähigkeit, sehr wohl aber bezüglich der doch architektonisch sehr ausgewogenen Neukonzeption. Das Projekt musste gestoppt werden, um die Lage erneut zu klären. Mit den vielen Auslagerungen aus dem Verantwortungsbereich von Stadt und Bund sind neue Ansprechpartner verantwortlich, die zum Teil auch schneller agieren, z.B. die Wiener Linien, die auf Entscheidung drängen. Offenbar spielt auch Neid von anderen großen Institutionen eine Rolle, denn jetzt wo man das Künstlerhaus nicht mehr in die Selbstversorgerecke stellen kann, meinen die, das könnte ja auch woanders stattfinden. Es wurde zwar nicht vom Künstlerhaus angesprochen, aber das riesige Museumsquartier mit noch zahlreichen offenen Nutzungsflächen wird wohl auch zur herben Konkurrenz für alle anderen Institutionen.

Abgesehen von anderen Erwägungen, ist der Karlsplatz ja eine Bausünde, darüber herrscht Konsens und viele an Stadtgestaltung interessierte Beobachter glauben, dass das neue Konzept eines erweiterten Künstlerhauses eine Verbesserung der Platzsituation darstellen würde. Mit Kino und Theater und neben dem Musikverein situiert, ist das ja wohl schon seit langer Zeit ein Kunstplatz und sollte nun auch mit dem gegenüberliegenden Museum der Stadt Wien korrespondieren. Weiter geht es über Konzerthaus Richtung MAK und Hochschule für angewandte Kunst und auf der anderen Seite zu Secession, Albertina und Kunsthochschule. Man möge sich mal gut überlegen, was diese Institutionen zu bieten haben und nicht so tun als ob die Kulturalisierung Wiens vom Museumsquartier abhinge. Wien lässt sich nicht auf eine Kulturmeile reduzieren oder auf einen Kulturpark. Die initiierten Diskussionen gehen von falschen Vorrausetzungen aus, eine Kulturmetropole, und Wien ist eine Kulturmetropole, kann man nicht mit viel kleineren Industriestädten vergleichen, die auch mal über Kultur nachdenken.

Zurück zum Künstlerhaus: Angefangen bei der Geschäftsführerin, über die Architektur, zu diversen Ausstellungen, hier wird Wettbewerb in EU-Reife durchgezogen, soviel Bemühung um Transparenz kann man anderen Institutionen nur wünschen.

Jana Wisniewski

Davaj! Russian Art Now im MAK

Vergessen sind die eisernen Vorhänge aller Art, die Russischen Künstler stellen sich den Eindrücken die sie durch das Weltgeschehen erhalten frisch und unkompliziert. More Sex, more Fun? So einfach scheint das Leben, welches Werbungen verheißen. Berühmt werden, individuell Erfolg haben, und vor allem schnell sein ist Trumpf! Die neuen Götter werden aber nicht unbedingt angebetet, sondern ironisch überboten. So erscheinen auf einem sommerlichen Strandbild etwa, von Picasso bis Arnold Schwarzenegger, Persönlichkeiten mit Rang und Namen ohne inhaltlichen Zusammenhang. Besonders markant äußert sich die Künstlergruppe „Die blauen Nasen" zur Erotik der Macht. Sie setzen die Mächtigen dieser Welt nicht an einen Tisch, sondern legen sie in ein Bett. Dort vergnügen sich diese mit Prothesen aller Art, ohne Rücksicht darauf, ob die realen Vorbilder noch leben oder schon gestorben sind. Den Walzer der Macht dürfen auch einige wenige Frauen tanzen, so ferne sie genug Abzeichen auf der Jacke tragen. Galina Mysnikowa setzt den Wettkampf als agressiven Akt, ob Ballspiel oder Schlittschuh, jeder Sieger hinterlässt auch Verlierer. Beim Wettkampf der Künstler im Umgang mit neuen Medien hat sie die Nase vorne, was in ihrem Heimatland noch nicht goutiert wird. In dem marginalen Binnenmarkt für Kunst ist Malerei angesagt. Das soll aber nicht heißen, dass in den Ländern des Ostens der „mediale" Anschluss zeitverzögert stattgefunden hätte. Neue Symbole erinnern an alte Symbole, neue Mächtige an alte Mächtige. Die Pioniere, Vordenker, Aktivisten für ein gerechteres Leben, setzen dieses ein, in der Kunst symbolisch – Prometheus entzündet sich selbst als Fackel immer wieder neu und läuft und läuft.........wem wird er das Feuer der Erkenntnis bringen?

Jana Wisniewski

DENNIS HOPPER – A System of Moments – MAK

Inmitten einer großangelegten Ausstellung, mit eigens aufgebautem Kino gab sich das Idol der 68er Generation bescheiden und trotz großer Gesten realistisch; Dennis Hopper scheint seinen Stellenwert, was immer er auch tut, konkret einschätzen zu können. Er begann als Maler und wurde als Schauspieler und Regisseur berühmt. Sicherlich neigt das Publikum dazu, Persönlichkeiten ein- deutig zuordnen zu wollen – wenn einmal ein Hit gelungen ist, dann eben in diesem Feld der Tätigkeit. Doch ist ein „Easy Rider" eben kaum zu überbieten. Der Sinn der Ausstellung mag darin liegen, aufzuzeigen, dass eine kreative Persönlichkeit nicht so strikt abgegrenzt zu sehen ist und dass gerade das Auge des Malers und die Offenheit eines Künstlers eine gute Voraussetzung dafür war, der Filmbranche eine ungewohnte Gangart vorzuspielen. Im Film sind oder waren vielerlei Kunstschaffende inkludiert ( beim digitalen Film kommt man mit weit weniger Leuten aus) das war für Hopper ein Reiz, es war aber auch eine Chance zu überleben, denn mit der Fine Art und der Fine Art Photography war das in den 50er und 60er Jahren noch so eine Sache, er macht kein Hehl daraus, damit wäre er nicht durchgekommen. Einem Amerikaner kommt es ja auch kaum in den Sinn, dass Flexibilität etwas Negatives ist – das Betätigungsfeld zu wechseln ist eine ganz normale Sache und sich nach der Decke zu strecken auch. Den Amerikanern ist sehr wohl bewusst, dass die POP ART ihr erstes eigenständiges Kulturzeichen war und die Europäer haben dieses auch entsprechend transportiert, aktuell und in hochrangigen Museen und Kunsthallen ausgestellt. Nur, was Rauschenberg oder Warhol für die Kunst, ist eben Dennis Hopper für den Film, auch diese Ausstellung kann uns nicht beweisen, dass wir einen großen Maler/Fotografen übersehen haben. Was Dennis Hopper vor Ort mit der Kuratorin und Peter Noever komponiert hat, lässt Übergänge sichtbar werden, vom Graffittifoto zur Malerei mit Collage, vom gelungenen Szenefoto zum Filmstill, vom Ambiente der Filmbranche zum kameradschaftlichen Verhältnis zu den tätowierten, frechen, langhaarigen Motorradfreaks. Dennis Hopper ist jemand, der sich und seine Arbeit verkaufen will und kann. Dennoch macht er mit gekonnter Geste die ganz große Verbeugung vor stilbildenden Künstlern denen es am Vermarktungstalent gebrach, die ein ganzes Leben in eine Idee, in ein Talent investierten, das ihnen oft lange Zeit nur selbst bewusst war. Dennis Hopper hat in seinen Filmen den Wünschen und Träumen von Jugendlichen und Außenseitern zur Darstellung verholfen und sieht das für einen Künstler als genug, beziehungsweise adäquate Politik an, das österreichische Gejammer bezüglich Politik und Geld scheint er nicht wirklich zu verstehen oder verstehen zu wollen. Ein Künstler hat andere Möglichkeiten, meint er, und wie viele hat er mit seinen Möglichkeiten erreicht – eine ganze Generation! Heute liegen die Probleme allerdings anders, die Jugendlichen sind selbst gewalttätig, nach den Negern wollen auch die Indianer wieder ihre Wurzeln entdecken und kultivieren und die künstlerischen Darstellungsformen haben sich ebenfalls gewandelt – was geblieben ist, ist die bezaubernde Offenheit dieser Kultfigur.

Jana Wisniewski

DER EPHEMERE KÖRPER – Beispiele aus der Fotosammlung des BKA

Die Fotosammlung des Bundes bleibt nun im Rupertinum, ein Ausschnitt daraus wird gleichsam als Vorschau für eine Ausstellung in China, in „hauseigenen Ausstellungsräumen", im Palais Porcia in der Herrengasse 23 in Wien gezeigt.

Als typisch für Österreichs Kunstentwicklung betrachtet Margit Zuckriegl, die nach wie vor die Foto-Sammlung betreut, die Beschäftigung mit dem Körper, was Schiele zur Jahrhundertwende, die Aktionisten in den 60er Jahren anrissen, hat in den letzten 20 Jahren eine Vielzahl von Ausformungen erfahren. 13 Positionen körperbezogener Fotokünstler ergeben keineswegs einen Trend, einen Stil, eine Gruppe mit ähnlichen Anliegen, es sind individuelle Vorgehensweisen im Felde der Kunst der Zeit. Uli Aigner zielt auf Körpersprache von Männern und einer beruflichen Zuordnung die man ihnen aufgrund ihrer Bekleidung zuschreiben könnte, ohne die Gesichter zu sehen – denn die Figuren sind kopflos. Irene Andessner macht Nachbilder zu weiblichen Vorbildern aus der Geschichte, indem sie sich selbst wie beim Schauspiel den darzustellenden Persönlichkeiten durch Schminke, Haartracht und Kostüm angleicht und in einen Lichtkasten stellt, wie er beim Theater für die Vorschau gebräuchlich ist. Von Gottfried Bechtold ist jenes Mädchen von 1978, das den fotografierten Teil ihres Kleides als Fortsetzung von Medienwirklichkeit in das Bild integriert, ein oft gezeigtes Bild in der Schau, damals war der Körper eher der Bote zur Medienreflexion. Eine frühe Serie von Arnulf Rainer, als er noch ohne Übermalung gestikulierte, das unmittelbare Umfeld der Körper als Rückschluss auf die Heimat der Personen angelegt von Manfred Willmann, und die Fernsehbilder als Standbilder eines Bewegungsablaufes gereiht von Werner Kaligofsky stehen als Statements zur analogen Bilderwelt. Dieter Huber klont surreale Wirklichkeiten und Valie Export mischt Stadtraum und Körperraum, Elisabeth Wörndl lässt Körperkonstruktionsprogramme über Stadtlandschaften kreisen, die virtuelle Welt neuer Möglichkeiten in der Fotografie lässt grüßen. Als Außenseiterin in diesem Stratgiefeld appliziert Ilse Haider Fotoprints auf dreidimensionalen Objekten und Erwin Wurm, der humorvolle Konstrukteur von „Kleiderskulpturen", präsentiert seine „Plastiken" als Foto. Birgit Jürgenssen projeziert Frauen aus fremden Kulturen auf den eigenen Körper. Michaela Moscouw zeigt „Rohlinge", den zur unterschiedlichen Darstellung freigegebenen Körper, auch das passt in die Ausstellungsidee – als Frage bleibt im Raum: Wann kommt wieder die Fotografie als Fotografie?

Ausstellung: 22.Nov.2001 bis 25.Jänner 2002

JANA WISNIEWSKI

Die erste E-CULTURE Messe in AMSTERDAM am 12. und 13. November 2000

Anders als die schon zahlreicher werdenden Medienkunst-Festivals, hat die erste Messe e-culture als ein breiteres Phänomen verstanden; nicht nur Kunst und Wissenschaft vernetzt, sondern auch Unterricht, Spiel, und Gestaltung von Lebensräumen in einem umfassenden Sinne. Dennoch ist man hier der Versuchung e-commerce daraus zu machen entgangen, obwohl die e-culture im Schlepptau der Doors of Perception #6 im Messegebäude installiert, und vom Designzentrum organisiert wurde. Designing the future ist letztlich eine Aufgabe vieler unterschiedlicher Kräfte und daher vernetzen sich nun zunehmend Institutionen die auf den ersten Blick nicht unbedingt zusammenpassen. In vier Zonen unterteilt, Staging, Interacting, Learning, Playing, waren Projekte von höchst unterschiedlicher Sinnfälligkeit mit ihren Kreateuren oder Demonstratoren aneinandergereiht. Die weitaus beliebteste Station war BRAIN BALL ein Brettspiel bei dem man Intelligenz auf besondere Art einsetzen konnte. Zwei Spieler schnallten sich Stirnbänder um, welche die Ströme messen konnten und auch für die Besucher sichtbar auf einer Screen darstellten. Ein kleines Bällchen wurde auf einem Steg in der Mitte des Tisches platziert und nun sollten die Spieler durch Willenskraft das Bällchen in des Gegners Korb spielen. Die Feinheit dabei war, je mehr jemand wünschte oder krampfte umso weniger Erfolg hatte er oder sie im Spiel. Gelassene Konzentration, das war der Schlüssel, WINNING BY RELAXING nannten die beiden Software-Designer Olof Bendt und Thomas Broome ihren Spieltisch. Viele Berufsbilder, zum Beispiel in Grafik und Druck sind ja bereits durch e-design ersetzt, neuerdings wollen Computer-Freaks auch den Zufall ersetzen und bauen virtuelle Flaschenpost oder virtuellen Fischfang. Dabei ist die Zeit die man fern der Natur verbringt durch zahlreiche Fallen und Unzulänglichkeiten der Hard-und Software ohnehin schon nahezu verbraten, die langen Ladezeiten bei einigen Demonstrationen und die Abkürzungswut, die aus Institutionen leicht Verwechselbares macht zeugt auch auf dieser Messe vom Problem mit der Realität. Viel junges Publikum interessierte sich für die Stationen, die vom alternativen TV (Electrolobby) bis zu alterativen Ausbildungsstätten (Mars) bis zu www.SUPERCHANNEL.org einer Sendestation die für unterschiedliche Artikulationen offen ist, doch recht viel für gestaltungswillige und lernbereite junge Menschen bot.

Jana Wisniewski

Documenta 11 Okwui Enwezor, der Leiter der Documenta präsentiert ein neues Modell

War die Documenta 10 schon weitgehend dem Diskurs geöffnet, so ist das Lieblingswort von Okwui Enwezor „Extention", seine Documenta beginnt schon im Vorfeld der Großausstellung mit 5 Plattformen an unterschiedlichen Orten, die erste ist in Wien, an der Akademie der bildenden Künste ab 15. März des Jahres. Demokratie als unvollendeter Prozess, wird in einem interdisziplinärem Diskurs versuchen, den unterschiedlichen Denkmodell und Praxen der Demokratie, mögliche Modelle gegenüberzustellen. Das Institut für Gegenwartskunst wurde schon vor Jahren durch die Offenheit des Nochrektors Pruscha und des Künstler/Professors Arnulf Rainer möglich und bietet sich durch Ute Meta Bauer, die an dieser Institution lehrt, und imTeam des Documentaleiters integriert ist, als Standort für die erste externe Plattform an. Ein weiterer Grund dafür, dass die Wahl auf Wien gefallen ist, resultiert aus der heiklen politischen Situation in Österreich. Es soll aber keine Wiederholung bereits vorangegangener politischer Diskurse werden, vielmehr bieten sich hier Erfahrungen als Basis einer sensibilisierten Öffentlichkeit an, um einen weltweit gültigen Diskurs über Demokratieformen zu führen. Wort und Bild, so zum Beispiel auch Dokumentarfilme, werden die Documenta 11 prägen, die sich durch die Vorarbeit in Wien, Berlin, London, 4 Plätzen in Afrika entwickelt. Soziale, politische, künstlerische Ansätze werden sich verschränkt anbieten und auch während der Documenta nicht nur auf den Austragungsort der großen Ausstellung beschränkt bleiben. Die Form einer Documenta, die Form der Großausstellung wird diesmal wirklich in Frage gestellt und der Begriff „international" wird viel realistischer zur Handhabung kommen als je zuvor. Die Voraussetzungen, unter denen Kunst wächst, wird als wesentlicher Bestandteil ins Konzept integriert. Hinterfragt wird natürlich auch der Begriff Nationalität. Daraus ergibt sich auch die Fragestellung, was denn Illegalität sein könnte.

Jana Wisniewski

Documenta 11 - Gespräch mit Okwui Enwezor, dem Leiter der Documenta 11 am Ende der Plattform 1: Demokratie als unvollendeter Prozess, in Wien.

Anschaulich vor Augen führte ein Vortrag von Enrique Dussel, wie legale Rechtssysteme zu Apparaten werden, die durch Solidarisierung kritischer Potentiale abgelöst werden müssen, weil sie die Grundbedürfnisse einer Mehrheit nicht erfüllen. Ein Rückblick auf die Geschichte von Regierungsmodellen, zeigt nicht nur deren Vielfalt, sondern auch, dass bei weltweit 85% Armen die wirtschaftsbezogene Globalisierung kein tragfähiges Muster ist, der Diskussionsbedarf ist also gegeben. Zur Identität, und dabei vorrangig der weiblichen Identität, die durch mediale Muster bis zu krankmachenden Idealvorstellungen geprägt scheint, sprach Cornelia Klinger und Boris Groys beleuchtete die Differenz von sehen und gesehen werden anhand der von westlichen Erfolgsmustern faszinierten Ostländer. Kunstproduktion ist längst nicht mehr immer ein Ausdruck grundlegender Intentionen oder visueller Ausdruck einer Identität, geformt in und von Lebensräumen. Der Ausblick auf die Documenta 11, wie sie deren Leiter Okwui Enwezor vorschwebt, beschwört ein radikales Experiment, denn Kunst wie sie in Museen und Galerien gezeigt wird interessiert ihn gar nicht. Offenbar hat er die Absicht viel tiefer zu schürfen. Die politische Realität prägt jede Art von Gestaltung und Lebensgestaltung, die politische Realität, die ja mitgestaltet werden kann. Ethnie, Religion, Philosophie und in diesem Zusammenhang auch Kunst, ist der Ansatz der Tradiertes berücksichtigt, aber auch hier ist in permanenter Weiterentwicklung der aktuelle und adäquate Zustand zu erarbeiten. Was dem Dokumentaleiter in vielen Varianten besprochenes Vorbild ist, will er nicht zwingend vorgeben – er lässt durch eine bunte, azyklische Annäherung das Bild entstehen. Man kann also gespannt sein, was im laufe eines Jahres sozusagen gruppendynamisch entsteht. Bisher sind kaum Künstler, auch nicht im weitesten Sinne Künstler zu Wort gekommen. Auf die Frage, ob ihn historische (60er, 70er Jahre) oder aktuelle Kunst als soziale Strategie interessiert, antwortet er ausweichend, beziehungsweise ergänzend. Die Strategien hätten sich immer auf ein spezielles Problem, eine spezielle Zone bezogen, ihm geht es aber um eine globale Wirklichkeit und das Modell eines Zusammenspiels einer ganz anderen Größenordnung. Auf die Möglichkeiten von Kunst mit neuen Medien angesprochen, kommt nicht gerade Begeisterung auf, eher Vorsicht – darauf, in und mit welchen Medien gearbeitet wird, darauf kommt es nicht an. Erkennbar wird, es geht nicht um den Kunstkontext und die Kunst im Kontext und keinesfalls ist das Medium die Message. Soviel ist klar, diese Documenta wird nicht mit Vermarktungsstrategien punkten, sie wird jede Menge Galeristen, Sammler und Museumsdirektoren verärgern, aber vielleicht schenkt sie uns ein neues Weltbild!

Jana Wisniewski

DU BIST DIE WELT – Wiener Festwochen 2001 in Kooperation mit dem Künstlerhaus

Das Konzept des Festwochenevents von Hortensia Völkers und den Co-Kuratoren zielt auf die neuerdings weltweit eingeforderte Eigenverantwortung der Bürger, einer Freiheit mit Tücken. In einer umfassenden Schau, die über die Medien Film, Theater, Performance, Bildende Kunst, Vorträge, Diskussionen und Musik transportiert wird, nähern sich diverse Künstler dem Thema des neuen, flexiblen, freien Weltbürgers und Weltwanderers. Aber auch der Betrachter/Konsument des Festwochenangebots wird in dieses System der freien Wahl eingebunden, die Besucher sind somit aufgefordert sich ihren eigenen Weg durch das Kunstangebot zu bahnen, initiativ zu werden, Erfahrungen zu sammeln.

Der Komplex „Künstlerhaus" besteht ja aus einem großen Ausstellungshaus, mit einem Raumangebot das mehrere Ausstellungen oder Events parallel möglich macht, dem geräumigen Künstlerhaus-Kino und dem Künstlerhaus-Theater, daher mussten hier keine Räume aufgebaut werden, man nützt einfach die Struktur. In der Künstlerhaus Passagegalerie hat man noch ein Medienlabor installiert, für die Bereiche Elektronische Musik, Netzradio, Streaming Media, man kann also in einer Art Minimundus der Kunst den Episoden die vor Ort präsentiert werden, in Räumen oder unter freiem Himmel, ganz zwanglos folgen. Immer wieder stellt man fest, dass der Computer sogar das Denken revolutioniert hat, statt linear wie früher, spielt man nun parallel in Fenstern auch Kunstwahrnehmung. Von der Medienkunst als Ausstellung wandert man ins Kino, dann zum Video/Musikevent unter freiem Himmel in frei gewählter Reihenfolge – Besucher, du bist die Welt!

Aber Vorsicht! An einen Parcour der seichten Unterhaltung ist hier nicht gedacht, auch wenn immer wieder Ironisches auflockert. Krisen- und Kriegsherde, die vielleicht banal klingende „flexible Arbeitszeit", das exzessive Konsumverhalten, die Probleme die nach wie vor Anhänger unterschiedlicher Religionen miteinander haben werden hier ebenso bearbeitet wie die immer schwieriger werdenden Möglichkeiten zur Identifikation. Multiple Identitäten, der fremde Blick und das immense Werbeangebot werden durch Kunst gefiltert mitunter klar wie Wasser. Worum geht es da eigentlich? Das sind die Fragen, die uns wohl heute alle beschäftigen. Zwei Vorgangsweisen sind typisch, die eine ironisch, sie stellt das Leben und Treiben in der Art eines Kinderspiels dar (Sandkastenspiele der Erwachsenen ) die andere Art der Annäherung ist strikt und lapidar, sie zeigt einfach was Sache ist. Andreas Siekmann zeigt das Leben als Spieldose, konkret oder in Computerdrucken (Das geistige Tierreich) Dorit Margreiter zeigt in einem Video das Sehen von Leuten die etwas sehen (Around the World) die Weltreisenden auf der Suche nach Zusammenhängen real vor Ort, in Büchern und Museen und ihre Versuche die Welt festzuhalten auf den zeitgenössischen Speichermedien. Als dritte wesentliche Komponente kommen noch die Verluste die als Verletzung erlebt werden hinzu.

DU BIST DIE WELT – aber – WAS KOSTET DIE WELT?

Jana Wisniewski

EINE BAROCKE PARTY – Kunsthalle Wien

Das gelungene Ambiente von alt und neu, die Architektur der Kunsthalle betreffend, motiviert zu einem ähnlichen Versuch in der Kunst – barockes Lebensgefühl alt und neu ist das Thema der Ausstellung und der Events. Der Standort der neuen Kunsthalle im Fischer von Erlach-Gebäude ließ ein Thema virulent erscheinen, das eigentlich sehr gut zu Österreich passt, das aber durch die Kuratoren Sabine Folie und Michael Glasmeier zwar den Bogen zur Architektur spannt nicht aber zu Künstlern und Ländern die wir als mit barockem Lebensgefühl ausgestattet empfinden.

„Eine der Sachen die mich verrückt machen, ist der internationale Stil" – mit diesem Zitat von Paul Thek, dem Amerikaner aus New York, erklärt sich seine Reiselust und seine späteren Wohnorte Rom oder Amsterdam, aber auch seine Arbeit in Auseinandersetzung mit religiösen Ritualen und Lebenslust. Als gelernter Österreicher kann man allerdings nicht umhin, sich an Günther Brus und Hermann Nitsch erinnert zu fühlen. Bei Paul Thek geht es um das Leiden an Lebenskonstrukten, die seinem Selbstverständnis nicht entsprachen, kühle Architeturfragmente brach er mit „Körperkonstrukten" auf und schuf Inseln anders gelagerter Befindlichkeiten, dank einer hohen Sensibilität.

Dinos & Jake Chapman, Vertreter einer jüngeren Generation, immer gut für einen vielleicht heilsamen Schock, steht die Rolle gut, sich mit der Nähe zum Tode im barocken Lebensgefühl auseinander zu setzen. Riesige beschriftete Totenköpfe, transponieren diesmal in Kunst, also keinerlei direkt „Eingelegtes". In den farbigen Zeichnungen sind sie übrigens subtiler, erinnern da aber auch an eine mitteleuropäische 68er Generation. So schließen sich die Kreise, der fremde Blick eröffnet uns ein Barock aus England, Belgien, Deutschland und Amerika – das ist sehr interessant, aber mit Dinos & Jake Chapman, Wim Delvoye, Ulrike Grossarth, Yvonne Rainer, Sam Taylor-Wood, Paul Thek, sieht man eher Randpositionen jenes barocken Lebensgefühls und dessen Repräsentanz in der Kunst besetzt. Das (Zitat) oszillieren zwischen Allegorie und Realismus, Fest und Vanitas, zwischen Erotik und Religion, zwischen heilig und profan, dargestellt durch theatralische, rhetorische und illusionistische Kunstgriffe, hätte man wohl in Italien und Spanien auch suchen müssen.

Denk-Räume einer Tänzerin (Ivonne Rainer) eine witzige „barocke" Mischmaschine, der „Verdauungsapparat" als Kunstwerk zwischen Wissenschaft und Technik, die Hysterie als Projektion, lassen den Ausstellungsrundgang dennoch als abwechslungsreich erscheinen, der Spagat zwischen „hehrer Kunst" und Wunderkammer ist jedenfalls gelungen.

Jana Wisniewski

EINE GESCHICHTE DER FOTOREPORTAGE Jana Wisniewski

Robert Lebeck, engagierter Fotojournalist, wird von Bodo von Dewitz im Verlag Steidl als Sammler präsentiert. Am Ende des klassischen Fotojournalismus, am Beginn aktueller Möglichkeiten mit Digitalkamera, Laptop und Internet ist dieser Überblick zur Bildkultur ( auf der Basis einer selektiven Datensammlung) in den Printmedien eine willkommene Standortbestimmung. Die relative Freiheit eines Bildjournalisten, die auf Ungebundenheit basierte, beziehungsweise Reisefreudigkeit voraussetzte, hatte immer einen Wermutstropfen in der arbeitsteiligen Produktion. Der Fotograf war und ist Zulieferer und die Redakteure vor Ort platzieren seine vielleicht unter abenteuerlichem Einsatz zustande gekommenen Fotos besser oder schlechter, beschnitten oder sogar mit falschem Untertitel. Umgekehrt kann die Authentizität des Abgebildeten auch nur beschränkt nachvollzogen werden. Das „Wegwerfobjekt" Tageszeitung oder Wochenzeitung vermittelte mehr als ein Jahrhundert das Tagesgeschehen und wurde schlussendlich durch das Fernsehen überholt. Die bewegten Bilder bleiben zwar nicht im gleichen Ausmaß haften, wie ein einzelnes Bild, das die Situation meisterhaft erfasst und repräsentiert, doch wirken filmische Sequenzen, die noch dazu aktuell übertragen werden könnten, authentischer, und nehmen vorweg, was in den Printmedien besser oder schlechter analisiert wird.

KIOSK 1839-1973 Eine Geschichte der Fotoreportage, zeigt vor allem, dass die Geschichte der Fotokunst mit der Geschichte der Fotoreportage eng verknüpft ist, schließlich war es das Brot vieler begabter Fotografen, einen Vertrag mit einer bedeutenden Zeitung abzuschließen – eine ganze Reihe klingender Namen beweist das. Auch Fotokünstler, die wir aus dem Kunstkontext weit besser kennen, hatten Verbindungen zur Presse. In der Regel bildeten Fotograf und Textautor schon bei der Aufnahme ein Team. Man muss allerdings eine unglaubliche Vereinfachung der fotografischen Technologien und vor allem des Gewichts der Fotoausrüstung dafür verantwortlich machen, dass nun immer mehr Menschen eingespart werden, neuerdings ist ja sogar die Fotoausarbeitung eine Sache ohne Dunkelkammer. Auf ungefähr 300 Seiten stellen die Autoren zusammen, was die Welt bewegte, in exemplarischen Bildern von begabten Fotografen. Von Politischer Propaganda mit Fotografien, über ernüchternde Kriegsberichte bis zu Lifestyle und Sportberichten, widmete sich die Fotoberichterstattung immer den „Highlights", die oft genug die Gesellschaft als Horrorszenario entblößten. Dem Liebhaber der „Reliquie" Altpapier, sofern sie mit relevanten Daten bedruckt ist, erschütterte der aktuelle Umgang mit Geschichte. Nach der Mikroverfilmung entsorgt, oder wegen zuwenig Geld statt digitalisiert in einem Bergwerk gelagert (der Öffentlichkeit entzogen) – Robert Lebeck´s Sammlung ist auch ein Hinweis darauf, dass Papier weit haltbarer ist als alles was wir heute an aktuellen Speichermedien haben und es daher recht verantwortungslos ist, von Datensammlungen zu sprechen, wenn keineswegs garantiert werden kann, dass sie rechtzeitig auf das mit kurzem Ablaufdatum versehene Speichermedium gebannt, möglicherweise für immer verloren sind. Last not least, die Namen der Fotografen die in der Liste der Publikationen in diesem Buch vorkommen, sind Grund genug, deren Arbeit zu bewahren, ob das nun Herbert Bayer, Karl Blossfeldt, Bill Brandt, Brassai, Rene Burri, Henri Cartier Bresson, Robert Doisneau, Walker Evans, Lux Feininger, Ernst Haas, John Heartfield, Andre Kertesz oder Man Ray sind. Ob ein Bild mehr als tausend Worte sagt, das bleibt dahingestellt – für das mitfühlen ja – für das verorten – nicht immer. Weit eher könnte man sagen, ein Buch sagt mehr als tausend Daten, denn hier werden die Bilddaten im historischen Kontext, mit entsprechenden Bildtexten präsentiert.

EUROPAS BESTE BAUTEN Preis der Europäischen Union 2001

Am Beginn des 2. Jahrtausends, scheint sich in der Architektur eine Trendwende abzuzeichnen, dem „Internationalen Stil" begegnet man zunehmend durch Bezugnahme auf lokale Eigenheiten und geographische Besonderheiten. In übertragenem Sinne werden auch alte, bewährte Baumuster eingebracht und für neu entstandene Kontexte nutzbar gemacht. Ja, sogar in der Architekturfotografie scheint sich was zu ändern, die Bauten werden zum Teil in „belebtem" Zustand fotografiert – also mit Nutzern, Passanten, Besuchern.

Alle zwei Jahre wird der Mies van der Rohe Preis für zeitgenössische Architektur vergeben und im Rahmen einer Wanderausstellung auch im Ringturm in Wien gezeigt. Auf der Basis einer breiten Recherche im Europäischen Raum (diverse national und international agierende Architekturinstitutionen und Verbände dürfen Nominierungen eingeben) übernimmt die Fundació Mies van der Rohe in Barcelona die Auswahl mit einer länderübergreifenden Jury.

Der Preisträger ist diesmal Rafael Muneo mit seinem Kurzentrum in San Sebastián. Die Anlage ist durch die reizvolle Lage begünstigt, sowohl Landschaft, als auch Altstadt bieten einen willkommenen Kontrast zu den schlichten Kuben, die durch Oberflächenstruktur und Materialität dennoch belebt wirken und sich nachts wie leuchtende Kristalle vom Umfeld abheben. Den Preis für den Nachwuchs, für junge Architekten mit alternativen Sichtweisen, hat Florian Nagler mit seinem Team schon etwas schwerer errungen, mit dem Entwurf zu einem holzverarbeitenden Betrieb in Bobingen, Deutschland. Hier überzeugt die Logik der Praxis, verbunden mit einem kleinen Kick – wenn die Industrieglas-Tore hoch rollen, bekommt der Quader ein neues Gesicht. Dann überragen die Tore den First und die Leitplanken die das Terrain abstecken, nehmen sich wie Augenbrauen über den Öffnungen aus.

In der Ausstellung befindet sich auch ein österreichisches Projekt, Wohnbau von Carlo Baumschlager, Dietmar Eberle B&E/Architekturbüro. Die Siedlung in Innsbruck bezieht sich gleichermaßen auf Stadt und Land, da sie auf der grünen Wiese am Stadtrand situiert ist. Mit dominanten Balkonreihen die das Spiel vom Kontrast des dunkel gebeiztes Holzes zum weißen Mauerwerk aufnehmen, beziehen sie sich auf Traditionen. Weit exzentrischer verarbeitet Edouard Francois in Montpellier Rustikales, seine Wohnsiedlung mutet wie eine exotische Festung an. Ein Mix aus maschinell hergestellten Strukturen und echtem Holz und Stein, verweist wohl darauf, dass es eher um die Gefühle dahinter geht, um Schutz und Ausblick, Abgrenzung und Kommunikation.

Jana Wisniewski

FABRIZIO PLESSI – Only Fire – SAMMLUNG ESSL ( 28.11.2001-17.2.2002)

Fabrizio Plessi liebt das Wort Videokünstler nicht, den Versuch einer Einordnung die ihm oft zuteil wird. Tatsächlich sind es ja seit vielen Jahren Skulpturen die Monitore enthalten, mit einem Videoprogramm, welches nur im Zusammenhang mit dem konzipierten Umfeld Sinn macht. Sehr häufig geht es um Feuer und Wasser, die Naturgewalt ist jedoch hinter Glas, läuft virtuell als Zeichen für Feuer oder Wasser. Massiv und in ihrer Materialität dominant, sind die Skulpturen, die oft mit Gebrauchsgegenständen versehen, eine sehr eigenwillige Verknotung von archaischen Metaphern, sowie neuen und alten Technologien realisieren. Mit einer Methode der Umkehrung von Erwartungshaltungen, verweist er auf Leben spendende Qualitäten. So steckten etwa Schaufeln nicht im Wasser, sondern im Monitor, oder wie bei seiner aktuellen Werkgruppe bei Essl, verbrennt nicht Feuer Baumstämme, sondern fließt weit eher wie Blut in Adern oder Mark in Knochen. Das „Feuer" im Baumstamm wirkt wie eine Urkraft und in einem Gedicht aus der Feder des Künstler manifestieren sich seine Wünsche, die auf eine Sensibilisierung und Erotisierung abzielen. Man möge sich selbst und die eigenen Intentionen und Möglichkeiten wieder fühlen, das ist die Botschaft des Feuers.

Den Monitor, und damit eigentlich den Fernseher, spannt er in einen Kontext von seit jeher gebräuchlichen Lebensmustern: Das „Wasserrad" nahm er wörtlich, als Sinnbild für Zeit und Leben und Überleben, denn das Wasser kann nicht verloren gehen wenn es als Video am Bildschirm läuft. Die gewaltigen Ausmaße und die marginale Ästhetik seiner Objekte kam von jeher gut an und hat ihm auch etliche Aufträge für öffentliche Räume gebracht. Anders als die Autoren vieler „medienreflexiver" Kunstwerke, blieb Plessi immer am nährenden Boden emotional sich vermittelnder Statements – man kann viel oder wenig hineininterpretieren in seine Werke, die meisten Menschen fühlen sich aber spontan angesprochen. Ein wesentlicher Grund für die hohe Akzeptanz seiner Werke mag auch darin liegen, dass er immer mit und nicht abgehoben vom Ort agierte, die schönsten seiner Installationen ergaben gemeinsam mit den Räumlichkeiten ein Gesamtkunstwerk.

JANA WISNIEWSKI

FESTIVAL OF LIGHT – TORONTO (KANADA)

Im Kontext des weltweit ausgetragenen Festival of Light (Fotografie und angrenzende Künste) spielt TORONTO, die ehrgeizige englischsprachige Stadt erst kurz mit, ihr stets rivalisierender Gegenpart, die französischsprachige Stadt Montréal organisiert schon weit länger, jeweils im Herbst ein wohlbekanntes Fotofestival. In jedes dieser 22 Festivals in 16 Ländern, die rund um die Welt ausgetragen werden, von Houston bis Moskau, von Stockholm bis Mexico City, fließt bei aller Internationalität der Kunst und der Kooperation, doch etwas Lokalkolorit ein. Das haben wir sicher schon bei näheren Nachbarn, etwa Paris und Bratislava, die ebenfalls in diesem Weltfestival mitspielen schon beobachten können. Der „Canadian PhotoGuide" der alle zwei Monate herauskommt, listet auch internationale Ereignisse auf, allerdings ist wohl alles was deutsch ist in Germany, auch das Fotomuseum Winterthur und Österreich ist, was die Fotografie betrifft weit weniger bekannt als unsere östlichen Nachbarländer, es kommen daher, wie so oft im Fotokunstkontext keine Österreicher vor.

An 138 Orten der Stadt TORONTO waren vom 1. bis 31. Mai 2001 Fotoausstellungen zu sehen, von Pariser Innenräumen von Eugéne Atget in der Art Gallery of Ontario (Zeitgenössisches Museum) bis zu SPEECHLESS, einer Dose mit Fotozeichen (Postkarten) kanadischer Künstler, präsentiert in der NOW Lounge, dem Kommunikationsraum einer lokalen Programmzeitung. Ein sehr konstruktiver Guide begleitet CONTACT, das TORONTO PHOTOGRAPHY FESTIVAL, das sich mit einem Einführungsvortrag des Starkritikers A.D.COLEMAN aus New York in die richtige Position bringt, mit einigen kuratierten Ausstellungen Zeitthemen aufgreift und mit einer beträchtlichen Anzahl guter Galerien (von denen einige auch auf die großen Messen New York, Paris, neuerdings auch Basel gehen) sich gezielt auf die Weltbühne spielt. Der Charme Torontos liegt aber in der etwas vergammelten aber hippen Qeensstreet, mit den Designerläden, schrägen Discos, gemütlichen Lokalen, die sich zum Teil auch am Fotofestival als Ausstellungsanbieter beteiligten. Im eleganten Yorkville nehmen Kunstgalerien wie Mira Godard oder ArtCore am Fotofestival, mit Positionen aus dem Kunstbereich teil, der nicht auf „Fotografie" als Medium abstellt. ArtCore zeigte Michael Flomen´s irritierende Wasserbilder, die an Textile Faltenwürfe oder Lederhäute erinnern, einen Kanadier der Landschaft sehr stark abstrahiert und verfremdet. Mira Godard zeigte eine der Frontpositionen neuer Indianerkunst, Jane Ash Poitras, die als Gebildete (Biologie+Kunststudium) ihre Wurzeln reflektiert und in einer Art erweiterter Porträtkunst einen sehr politischen Kurs steuert. Die Edward Day Gallery zeigte Fotos von Tom Dean, den wir von der letzten Biennale in Venedig kennen, allerdings vornehmlich mit Skulpturen.

Zur Gründung des Festivals, das nun zum 5. Mal stattfand, kam es aber auf der Basis klar definierter Fotogalerien, wie Stephen Bulger Gallery, die sich bei diesem Festival organisatorisch betätigte, oder Jane Corkin Gallery, die sich noch im letzten Jahr engagierte. Was „photographische Qualität" ist, kann man an solchen Orten auch am besten studieren, die machen keine Fehler, ob konservativer oder moderner, das Programm hält durchgängig. Auf Harold Edgerton, einem Ingenieur am Massachusetts Institut of Technology, der dank Stroboskop sehr früh in der Lage war, Bewegung zu fotografieren, fiel die Wahl der Galerie Jane Corkin, sie besitzt 20 Stück dieser Bilder die Geschichte machten, darunter den weltberühmten Milchtropfen. Auf ihrer Einladungskarte verweist ein kühner Schwung auf einen Volkssport, der viel schwerer ist als dumme Sprüche in Österreich meinen (haben sie noch Sex, oder Golfen sie schon?) Kuratierte Ausstellungen gehen indessen Phänomenen nach, die bei uns auch auffallen. LUX NOVA in der York Quai Gallery, Harbourfront Center, beschäftigt sich mit der Strömung des LOW TECH. Junge oder jüngere Künstler, die sich mit alten Phototechniken herumplagen, in dem Fall handelt es sich in der Mehrzahl um Künstler aus Toronto, ähnliche Intentionen konnte man aber auch in letzter Zeit in Österreich beobacchten, sind wohl die Antwort auf zu viel Automatik, die ja tatsächlich die Kreativität mindestens ebenso hemmt wie beflügelt. Eine Adresse, die man in Toronto auf jeden fall besuchen sollte ist „The Power Plant," dort ist Zeitgenössisches recht frisch und aktuell angesagt. Es ist zwar nicht dezidiert eine Fotogalerie oder ein Spot für Neue Medien, aber wie die Kunst so spielt, bedient sie sich nun fast ausschließlich neuer Medien.

Was ist Kanadisch? Auf diese Frage muss ich die Antwort schuldig bleiben. Der Nationalstolz der Kanadier ist gewaltig, aber Nationalismus hat mit Rassismus nichts gemein, die lässigen Bermudashortsträger mit karierten Hemden, sind einen Straßenzug weiter verschwunden und durch zierliche Asiaten ersetzt, weder das Aussehen, noch die Namen geben schlüssige Auskunft. Außerdem haben dann immer Polen in Bermuda fotografiert und Asiaten in Mexico. Sehr viel gute Fotografie, darunter nach wie vor viel schwarzweiss, einige ungewöhnliche Positionen, wie etwa Pagoden ganz ornamental aufgelöst auf Reispapier gedruckt, ein politisches Bewusstsein, das Praktiken hinterfrägt ist ebenso in wie rein ästhetische Positionen reichlich vorhanden. Man bleibt beim Bild, der Lauf durch die dunklen Kammern mit Installationen hält sich in Grenzen und der Computer ist ebenso wenig ein Heiligtum, wie die Toleranz gegenüber Schwulen kein Religionsbekenntnis ist. Das soziale Gefälle ist die Trennscheibe, wie überall auf der Welt. Darüber hinaus wollen Kanadier nicht mit der USA in einen Topf geworfen werden, diesbezüglich sind sie sehr empfindlich.

Besonders hilfreich erscheint der Kontakt zu einer Zeitschrift, die ähnlich wie Eikon gelagert ist, mit PREFIX Photo kann man sich anfreunden, das ist der Filter für die Szene vor Ort, das ist die Qualität, mit der man selbst gern umgeht. Eine sehr interessante Ausstellung: Writers respond to Photography in der TCP – Galerie schließt den Kreis – internationale Fotokunstpositionen werden mit kurzen Texten konfrontiert die nicht Kunstkritik oder Beschreibung sind, sondern weit eher ein erweitertes Porträt dessen was Photokunst darzustellen in der Lage ist. Das bewährte Modell, Künstler aus der Region mit internationalen Größen wie Boltanski und Sugimoto zu verknüpfen, bringt immer die Möglichkeit den eigenen Stellenwert zu prüfen. Nach Art des Hauses, pflegt TPW – Toronto Photographers Workshop den Dialog mit den Wort-Künstlern.

Jana Wisniewski

FLASH AFRIQUE – Kunsthalle Wien

Sechs fotografische Positionen aus Westafrika beschreiben, was sich seit der Studiofotografie von Seydou Keita (Mali) an Fotobewusstsein entwickelt hat und darüber hinaus auch ein wenig wie die Menschen leben, was sie sich wünschen und wie sie sich dargestellt haben wollen. Seydou Keita ist in Europa ein bekannterer Fotokünstler als ihm selbst bewusst zu sein scheint. Er hat allerdings seine Tätigkeit als Porträtfotograf bereits eingestellt, seine großformatigen Bilder sind Sammlungsgut und sein Fotoatelier in Afrika Ort für Recherchen jüngerer Autoren, die neuerdings auch bemüht sind, das fotografische Erbe der Region zu konservieren.

Seydou Keita, der bei seinem Vater und seinem Onkel Möbeltischlerei lernte kam zufällig zur Fotografie, weil sein Onkel 1935 eine Kamera von einer Geschäftsreise mitbrachte. Er begann ohne die geringsten Anweisungen, erhielt später Hilfe in einem Fotozubehörgeschäft, fotografierte nur auf Bestellung, bekam auch immer Geld dafür und überlebte nicht nur allerlei technische Pannen und aufgebrachte Porträtierte, sondern entwickelte einen unverwechselbaren Stil, der nicht nur den Einheimischen gefiel, sondern letztlich auch Anerkennung im Fotokunstkontext erfahren hat. Auf der Basis eines Selbstdarstellungsrituals, brachten die Modelle oft ihre eigenen Requisiten mit und posierten für ein Image das sie sich ausgedacht hatten. Die Vorbilder zur Selbstdarstellung waren aber keineswegs unbedingt authentisch, im Sinne lokaler Gebräuche, sie waren oft inspiriert von dem, was die Menschen so über die große weite Welt wussten, was sie für bedeutsam hielten.

Ein wesentlich jüngerer Kollege, Philip Kwame Apagya, der auch während der Ausstellung in der Kunsthalle Wien anwesend sein wird, verwendet gemalte Hintergründe, die so was ähnliches wie die Skyline von Manhatten, ein annäherd modernes Badezimmer, ein Büro mit einem fast aktuelle Computer ecetera......darstellen, die als upgrade der Verhältnisse dienen. Er wird auch hier auf Kunden warten, nur müssen die wohl eher einen Sinn für Humor haben, wenn sie sich vor diesen „modernen Stylinghilfen" ablichten lassen.

Von der Qualität der Fotografie her, sind es aber eher die Bilder von Bouna Medoune Seye, der das Elend auf den Straßen von Dakar in gekonnten Ausschnitten und mit starker Aussagekraft festhält und jene von Dorris Haron Kasco, der „Randständige" oder „Verrückte" wie er das nennt aus Abidjan, die mit Seydou Keita mithalten können – auf einem ganz anderm fotografischen Weg, einer dokumentarischen Disziplin.

Interessant sind die begleitenden Maßnahmen zur Ausstellung. Filmaufnahmen von Rappern, die noch wirklich eine gesellschaftliche Funktion haben, die für viele Analphabeten so was wie kritische Zeitung darstellen, oder die Aufnahmen über die Herstellungsprozesse der Fotobilder. Am 8. September versucht auch ein Symposion zu „Ästhetik und Kultur des Diversen" Daten zu einer möglichen Rezeption zu erarbeiten. Ab 16 Uhr diskutieren und ab 19 unterhalten sich „Fachleute" unterschiedlichster Herkunft in der Afro Lounge bei DJ Price Zeka

Jana Wisniewski

FLATZ in der KUNSTHALLE KREMS – Start der Veranstaltungsreihe: Kunst - Gewalt

Als Initiator der Veranstaltungsreihe „Kunst - Gewalt" die von Rainer Metzger konzipiert wurde, entpuppte sich Franz Morak, dem Staatssekretär fehlte rundum eine Reaktion der Künstler auf die sich häufenden Gewaltakte. Von der Kunsthalle Krems wird diese Aktion als „Kunst gegen Gewalt" ausgewiesen und dem Staatssekretär für Kunst und Medien schwebten da Protesthaltungen wie sie die 68er Generation übte vor. Rainer Metzger bezieht sich auf das Generalthema „Gewalt" in den Arbeiten von Flatz, der in unzähligen Varianten und Techniken sich dem Thema stellt, in Selbstversuchen als Performer, Fotograf, Filmer, Eventorganisator, Buchautor. Wie seine Website www.flatz.net beweist, ist er auch ein exzellenter Darsteller und Vermarkter seiner Ideen, als moralisches Engagement kann man den Umgang mit Gewalt wie sie Flatz vorführt aber wohl kaum sehen. Es ist weit eher ironische Distanz, mitunter Faszination bezüglich des Bösen, ein Austesten der eigenen Gefühle und der Wirkungen auf andere, denn eine Haltung gegen etwas.

Die Aktion vor der Ausstellungseröffnung, war verglichen mit früheren Manifestationen eher zahm „Einer für Alle" beschäftigte sich mit der Opferrolle. Beim betreten der Ausstellung sieht man sich mit einer frühen Arbeit von Flatz konfrontiert, die Hitlerbilder mit eigenen Porträts konfrontiert, in der Art des Nachstellens von Posen und Mimik. In weiteren frühen Arbeiten aus den 70er Jahren stellt er die Angst vor unbekannten Personen und Handlungen, die in Gewaltakte kippen bloß. Aggression lotet Flatz auf der Basis der Freiheit der Kunst aus, die keine Verpflichtung zur Moral hat und geht dabei auch ziemlich schonungslos mit sich selbst um: Gib mir dein Fleisch, ich gebe dir meines, dann sind wir eins! Er kann aber auch mit Humor Machtpotential knicken. Sein Hund mit dem Namen Hitler und dessen alltägliche Geschichten, von Hitler hat Schluckauf, über Hitlers sehnsuchtsvoller Blick nach Österreich, bis zu Hitler erfindet den sozialen Wohnungsbau ( Gefechtsturm mit Fenster ) zeigen, dass Flatz Grenzen in jede Richtung hin zu überschreiten bereit ist. Gewöhnlich erreicht der Künstler aber die Aufmerksamkeit der Medien durch weit mehr Materialverschleiß, wie etwa 1993 im steirischen herbst, als die Arie einer Sopranistin in Staub und Schutt unterging, weil der Künstler während ihres Vortrags, das Haus vor dem sie stand sprengte.

Zu Gewalt haben sich österreichische Künstler immer wieder etwas gedacht, in letzter Zeit sind die Statements bildender Künstler aber direkter politischer Agitation gewichen, die Reflektion und Selbstversuchsmanier ist Strategien gewichen wie sie die Wochenklausur etwa bezüglich der Schubhaft praktiziert hat, oder feministische Direkthilfeprogramme der Geschwister Hohenbüchler formuliert haben – es besteht da ein Missverständnis – die Künstler sind nicht unpolitisch geworden – ihre Zeichen haben sich verändert.

JANA WISNIEWSKI

FRANZ WEST – Gnadenlos – im MAK - 21.Nov.2001 – 17.Feb.2002

„Hängen sie sich ein Passstück um den Hals + setzen sie sich in Szene!" die neuesten Passstücke haben die gleiche Funktion wie jene Skulpturen mit denen der Weg des Künstlers begann. Alle Sitzgelegenheiten sind anwendbar, steht als Aufforderung an der Wand, aber sind die Sitzmöbel einladend? So sperrig wie die „Schmuckstücke" so rau und wenig hautfreundlich sind die „Möbel". Mit wenig Aufwand und viel Ironie entsteht eine Kultur der Verneinung von „Gestaltung" die aber gerade durch die Verhöhnung die Muster dahinter freilegt. Der in den letzten Jahren meistgezeigte österreichische Künstler bedient das Muster des Künstlers als Querdenker und ein „Wienbild" wie man es gerne zurichtet, mit sympathischen Querulanten, Fortschrittskritikern, Lebenskünstlern die „leidend" genießen. Gnadenlos zerstört er die Vorstellung, dass Kunst innovativen Charakter haben muss, indem er nicht nur sich selbst plagiiert, sondern auch Ideen von aktuellen Kunstwerken und Künstlerkollegen auf seine Weise nützt. Mit seinem Vernissagen-Schaugießen (weil Bildhauer über Gips gießen, macht er es umgekehrt und setzt ein funktionsfähiges Auto außer Betrieb) stülpt er sich auch noch über eine Idee von Erwin Wurm. Mit seinen „Selbstbezeichnungen" als multiple Persönlichkeit wiederholt er Peter Weibel´s Ausstellungsidee, die in den gleichen Räumen stattgefunden hat. Sein Modell „Drama" ist die Vergrößerung des Originals, welches bereits im öffentlichen Raum aufgestellt ist, das allerdings nur ein Drittel an Ausmaß hat. Also zuerst das Original und dann das Modell, ein Umkehrschluss der aber auch umgekehrt funktioniert, denn wie oft werden tadellose Anwendungen als Idee einer anderen Person groß herausgebracht, gedankenlos wiederholt und bekommen erst als sattsam wiedergekäute „Innovation" Weltgeltung. Es mag kein Zufall sein, dass die Skulptur „Drama" einen in sich geschlossenen Darm darstellt , also die unendliche Verdauung.

Mit „Brückenköpfen" ziert er die unmittelbar neben dem MAK liegende Brücke, mit Köpfen, die aber in ihrer Ausformung an jene Vasen erinnern, die nicht weit, in dem einen oder anderen Park, ähnliche Geländer zieren. Im Inneren des Ausstellungsensembles installiert er ein Raumgebilde mit Turmargument, ein Environment das an die unendliche Bücherturmgeschichte im Museumsquartier mit künstlerischen Mitteln anknüpft. Ob Museumsneubau oder Alpenglühn, was immer Franz West anfasst wird zum Spottgedicht. Wer hoch stapelt, fällt in der Gunst des Künstlers tief, am Ende bleibt immer ein wenig Gips und Farbe.

JANA WISNIEWSKI

FRIEDRICH KURRENT – Einige Häuser, Kirchen und dergleichen ........ Anton Pustet Verlag IBSN 3-7025-0437-0

Das Lebenswerk eines leisen, aber keineswegs unbedeutenden Architekten, dargestellt von ihm selbst, ist das amüsanteste Buch zur Architekturgeschichte, es liest sich wie ein Roman.

Die Österreichische Gesellschaft für Architektur machte Friedrich Kurrent ein Angebot, und „wenn schon, denn schon" wollte Kurrent „sein" Buch gleich selbst schreiben. Das ist weiter nicht verwunderlich, da er ja sowieso viele Daten selbst beisteuern hätte müssen, doch ohne Scarlet Munding wäre die Arbeit dennoch kaum zu bewältigen gewesen.

In das Bewusstsein der Öffentlichkeit trat Kurrent gemeinsam mit drei Kollegen, der Arbeitsgruppe 4 (Holzbauer, Leitner, Spalt, Kurrent), die sich später als ¾ ohne Leitner fortsetzte. All das, was davor, danach, dazwischen und überhaupt in die Öffentlichkeit drang, warum, wie und wieso nicht, beschreibt Kurrent in seinem Buch offen und humorvoll. Ein Blick zurück ohne Zorn? Engagement lohnt sich nur beschränkt, Politik in eigener Sache weit eher. Die Medien haben noch ein eigenes Interesse, die Produktion von „Stars", auch in der Architektur geht soweit, dass etwa aus einem Bild der „Sechs vom Schillerplatz" in der Akademie der bildenden Künste, Wien, von 1978, drei für eine Sendung im Jahr 2000 gelöscht wurden.

Friedrich Kurrent geriet durch seine Lehrtätigkeit in München ein wenig aus dem Wiener Blickfeld. Er stellte sich vielen, unterschiedlichen Bauaufgaben, und ist wohl einer, der sich nicht verbiegen lässt. Mit der Postmoderne konnte er sich nicht recht anfreunden und kulturpolitische Fehler nahm er nicht unwidersprochen zur Kenntnis. In seinem Buch sind ihm eigentlich alle Aufgaben gleich wertvoll, er erstellt keine Hitlisten. So kann man sich fragen, ist das ein Buch zur Zeit, der Zeit vielleicht sogar voraus, weil das mondäne Vermarktungsprinzip den Zenit bereits überschritten hat? Einige Häuser, Kirchen und dergleichen, und viele Gedanken, Erwägungen, Kritiken und Dokumentationen beschreiben ein reiches Leben. Es wurde zwar ein Werkverzeichnis angegliedert, und gesondert ein Ausstellungsverzeichnis zusammengestellt von Scarlet Munding, aber keine Biografie – warum auch – das ganze Buch ist Biografie. Und was ist ein Werk? Ein realisierter Bau, oder eine Planzeichnung – Beides!

Jana Wisniewski

G.R.A.M.

Künstler gegen Künstler, eine Attacke auf den Starkult, Kritik der Medienwirklicht, Zweifel an der Tauglichkeit von Fotografie Realität darzustellen, die Künstlergruppe g.r.a.m. wirft vielerlei Fragen auf und widerlegt vor allem einen immer noch und immer wieder gestellten Anspruch: Das Genie ist einsam!

G.R.A.M. wurde 1987 in Graz von Günther Holler-Schuster, Ronald Walter, Armin Ranner und Martin Behr gegründet. Vor diesem Zeitpunkt malten zumindest 2 der vier Künstler mehr oder weniger aktionistisch, inzwischen haben zwei Nebenberufe, zwei sind aus beruflichen Gründen, verbunden mit Ortswechsel ausgestiegen, das Grazer Duo ist aber nun drauf und dran im internationalen Kunstkontext mitzuspielen.

Das Werkzeug haben die Künstler gewechselt, zuerst sah man Videos und Fotografie, in letzter Zeit steht die Hinterfragung von Fotografie als Medium (in mehrfachem Sinne verstanden) im Mittelpunkt ihrer Tätigkeit. Als hätten sie es geahnt, haben g.r.a.m. zum Zeitpunkt der unglückseligen Geschichte mit Lady DI eine Ausstellung über „paparazzi" präsentiert. Im Atelier Augarten konnte man die Opfer der Nachstellungen bewundern (bekannte und unbekannte Personen in mehr oder weniger „angenehmen" Positionen). Die Ausbeute der Kunstpaparazzis war aber weit eher als Idee heiß, denn als gesellschaftspolitsche Angelegenheit mit Nachwirkungen. Der Kunstakt hatte den Künstlern Sympathien eingetragen und die Aufmerksamkeit durch das zufällige Zusammenfallen von Ereignissen verdoppelt. Mit den Mitteln der Fotografie eine intelligente Kunstpraxis auszuüben, das bleibt im Gedächtnis, ab diesem Zeitpunkt wurde die Arbeit der beiden Künstler vermehrt verfolgt. Man wird sich an dieser Stelle vielleicht fragen, inwieweit die Bearbeitung von bereits bekanntem Material „Quoten" bringt. Durch die Zweitberufe, der eine als Kurator der andere als Journalist, ist den Künstlern die Verflechtung unterschiedlicher Ansprüche bewusst, sie gehen sicher nicht naiv an die Themen heran, wirken aber auch nicht allzu strategisch. Beim vorletzten Projekt, dem Nachstellen von Filmszenen von Stan Laurel und Oliver Hardy durch die beiden Künstler, haben sowohl die Originale, als auch die Transformer die Sympathien der Betrachter, denn es geht nicht um Entweihung, nicht um Plagiat, die „unschuldigen Anarchisten" verschieben eigentlich nur U-Kunst in E-Kunst. Wie brisant sind ihre „Nachstellungen" verglichen mit anderen Nachstellungen von Künstlern? Die österreichische Künstlerin Margot Pilz hat das Abendmahl mit einer Gruppe von Frauen nachgestellt, Valie Export hat Madonnen Hausarbeit leisten lassen – das lief unter Feminismus und war offenbar zum Zeitpunkt der Veröffentlichung nicht mehr lebensgefährlich. Der Schweizer Künstler Martin Schwarz nützte digitale Strategien um ehrenwerten Damenporträts der Kunstgeschichte unsittliches Röcke lüpfen zu unterstellen – nun die waren schon tot. Die einzige Strategie die einem Künstler das Kunstleben kostete, war jene von H.R. Ambauen, er zeichnete den Stammbau der Kunstmaffia nach.

So, und jetzt machen sich g.r.a.m. an ein inzwischen geheiligtes Gut, den Wiener Aktionismus heran, der ja gerade weil er jahrelang von Politikern geschnitten, von Populärmedien verrissen wurde, ja sogar Gefängnisluft gebracht hat, der Kunstszene ein durchaus zu verteidigendes Heiligtum ist. Mit „Wiener Blut" nach Motiven von...., dem neuesten Werkzyklus wird doppelter Zynismus zum Spiel: Ist zwischen Operette und dem Drama überhaupt soviel Unterschied, vor allem weil sowieso alles gestellt ist? Inzwischen sind ja viele der angegriffenen und damals provokanten Werke schon so bekannt, dass sie nicht nur von Insidern identifiziert werden können – was sagen sie uns heute überhaupt noch? Die frühen (noch nicht übermalten) Grimassen von Arnulf Rainer, statt Peter Weibel an der Leine von Valie Export als Hund durch die Straßen geführt, ein vielleicht schwules Pärchen? Wie nimmt man heute solch inszenierte Fotografie wahr? Regt sich da irgendjemand auf? Die Dramatik der Selbstverstümmelungen von ehemals Brus und Schwarzkogler, wirken in ihrer Adaptierung, in ihrer aktuellen Transformation eher wie eine Komödie – nur das, das ist wirklich brisant, denn es zielt auf die Schaulust und die Vermarktbarkeit von Tod und Elend und das ist der Punkt, der uns heute bewegen könnte.

JANA WISNIEWSKI

GEOGRAFIE UND DIE POLITIK DER MOBILITÄT in der Generali Foundation

Geografie ist durch Migration einerseits, und einer erstaunlichen Traditionsbewusstheit die überall hin mitgeschleppt wird andererseits, ein interessantes Thema für die Kunst. Es ist nicht leicht auszumachen wo die Interessen liegen, mit welchen Methoden sie vertreten werden und ob nicht viele Projekte längst aus dem Ruder gelaufen sind. Künstler sind in der Regel nur sich selbst verpflichtet, arbeiten aber gerade bei „journalistisch" anmutenden Projekten in kleinen Gruppen. Die „Migration" innerhalb der Kunstdisziplinen hat längst dazu geführt, dass man fast besser von „Autoren" sprechen sollte, um durch Zuordnungen nicht unnötige Begrenzungen setzen zu müssen.

Die geografischen Mappenwerke, erstellt von freien Autoren, sehen deutlich anders aus als jene von Wirtschaft, Politik und auch anders als von „klassischen" Wissenschaftlern, die ja in der Regel Teilbereiche innerhalb von Institutionen bearbeiten und Ihr Wissen auf Kongressen anderen Wissenschaftlern präsentieren. Die freien Autoren interessieren sich oft genug für Themenbereiche, für die ihnen keine Pharmafirma und keine Telekom gern Geld geben würde. Die Recherchen beziehen sich meist auf Zustände, die alle Beteiligten aus unterschiedlichen Gründen gern im Dunkeln gelassen hätten. Dabei geht es nicht immer gleich um Verbrechen, die Offenlegung von Verknüpfungen ist oft unerwünscht.

Ein durchgestylter Atlas wurde vom Pariser „Bureau d´ètudes" zum World Monitoring, dem Kapital und seinen Interessen kreiert und auch als handliches Faltplakat aufgelegt. Das ist die Spitze des Eisbergs innerhalb dieser Ausstellung, bei der die meisten Gruppen doch überschaubare Grenzsituationen bearbeiten. Hier wird das weite Feld der Wissenschaft auf die Hintergedanken abgeklopft, die Auftraggeber und/oder Geldgeber möglicherweise im Hinterkopf haben. Erst in der Zusammenschau offenbart sich, dass doch letztlich auf die Verfügbarkeit von menschlichem Material hingearbeitet wird, auch wenn Teilstrecken durchaus dem Wohle der Menschen dienen mögen.

Eine andere und anders geartete Recherche, die sich eher auf die Resistenz gegenüber globalen Systemen bezieht und das lokale Mächteverhältnis, samt bemerkenswerter Behinderungs- und Verhinderungsstrukturen durchleuchtet, stammt von" multiplicity" aus Mailand. Der Mittelmeerraum als eigenwillige Zone mit schwer durchschaubaren Gesetzmäßigkeiten ist das Feld ihrer Recherche – zu Wasser, nicht auf dem Lande.

Da der Focus bei dieser von Ursula Biermann kuratierten Austellung auf der Recherche liegt,

kommt auch der Betrachter nicht umhin, viel Text zu lesen – das aber macht eine Ausstellung auch nach der Ausstellung verfügbar.

JANA WISNIEWSKI

GESCHICHTEN AUS DEM LEBEN IM CYBERSPACE www.zeitgenossen.com

Ursula Hentschläger und Zelko Wiener lernten sich am Podium einer fachspezifischen Diskussion kennen und hatten sich in der Folge in jeder Hinsicht viel zu sagen. Auf www.zeitgenossen.com kann man eigene Erfahrungen damit machen, wie zwei Künstler aufeinander zugehen, Zelko Wiener vom Bild kommend und Ursula Hentschläger vom Wort kommend. Die Zeitgenossen bewegen sich im Cyberspace und formen Möglichkeiten, kreieren Räume, Stimmen, Emotionen. Wenn man sich den Unterschied zwischen Webdesign und Webkunst klar machen will, dann sollte man sich fragen, was ist auf dieser Site anders als auf einer gut gestylten Präsentation einer Firma, einer Kulturinstitution, oder auch einer Künstlerseite die sich als vielleicht sogar sehr sensibles oder raffiniertes Selbstporträt lesen lässt. Fast alles! Herkömmliche Gestaltungsregeln besagen, dass man es dem Leser leicht machen soll sich orientieren zu können, man wird angehalten „Aufmerksamkeit" zu erregen, sei es durch technische Tricks oder klare Verweise auf die Botschaft. Die Startseite der Zeitgenossen überrascht durch den Auftritt eines Wesens auf weiter Ebene, dessen Herkunftsland schwer auszumachen ist. Mensch, Tier oder Maschine oder alles zugleich, mit Waffe oder Weisheit, mit den Bewegungen eines Roboters und der Stimme eines fremden Gottes, weist er zwar den Weg zu binaryartsite oder outerspaceip, aber damit entlässt er uns erst ins virtuelle Abenteuer. Wartet man konsumgewohnt, dann geschieht nichts. Der Wanderer muss sich in Bewegung setzen, einen Pfad wählen. Auf den sensitiven Stellen der Benutzeroberfläche tun sich unterschiedliche Reiche auf, die man anhand von Wegführungen und Vernetzungen erwandern kann. Es wechseln Versatzstücke aus der Gerätekiste von großen und kleinen Jungen, mit eher filmischen Passagen und Leseproben der besonderen Art. Getragen wird dieses Weltentheater von inhaltlichen Komponenten, die formalästhetischen Erscheinungsweisen operieren nicht als Selbstzweck. Der Reiz solcher Kunstwerke liegt in der Wahrnehmung der Möglichkeiten, die durch entsprechende Software und Netzstrategien nun gegeben sind. „Das Maß an Freiheit misst sich an der Weite des Blicks" – Sätze stehen mitunter wie Manifeste im Raum. Schuldzuweisungen lassen sich parallel lesen, er, sie, ich bin schuld. Hervorgehobene Worte in einer Prosa verschwinden bei Berührung und werden durch ganz andere Bedeutungen ersetzt. Was einmal Buch war, Foto war, Film war, hat sich dank neuer Technologien vernetzt. Aber auch die inhaltliche Komponente verweist auf neue Lebensmuster.

Ein wichtiges Buch das noch auf Orientierungshilfe zielte, schrieb Ursula Hentschläger gemeinsam mit Katharina Gsöllpointner: Paramour – Kunst im Kontext Neuer Technologien. Doch schon hier übernahm sie den Part NetzWerk. Nach wie vor ist sie fasziniert von Vernetzungsstrategien, schreibt aber auch Romane wie „Lost&Found", die im Grunde genommen ganz ähnlich sind wie die Netzkunstwerke. Man ist angehalten den Faden zu finden, dem Leser wird nichts vorgekaut. Zelko Wiener hat zu einem Zeitpunkt digitale Fotografie eingesetzt um Bilder zu konzipieren die eigentlich malerische Qualitäten haben, als das noch kaum jemand tat. Auch Bilder die nicht mit Perspektive angelegt sind, also nicht Raumtiefe aufweisen, scheinen mehrere Schichten oder Ebenen zu haben. In seinen Bildern waren immer wieder angesprochene, aber nicht ausgesprochene Geschichten. Die Parallelen die bei den Wortgebilden von Ursula Hentschläger und den Bildschichten von Zelko Wiener vielleicht immer schon da waren, haben im Zusammenwirken gewonnen. Es ist eine der raren Gelegenheiten, gleichgewichtige Beiträge in einer Arbeit zu beobachten, die sich nicht erschlagen sondern potenzieren. Möglicherweise liegt es aber am Netz, welches auf Zusammenwirken ausgelegt ist, das auch aus Künstler und Leser/Betrachter ein Paar macht, bei dem der Betrachter nicht untätig nehmen kann, sich berieseln lassen kann, sondern seinen Teil bei der Auffassung des Gebotenen liefern muss.

JANA WISNIEWSKI

GESCHICHTEN AUS DER MULTIKULURELLEN WELT – Documenta 11

Neben Reportagen aus aller Welt, die letztlich zeigen, was Menschen bereit sind anderen anzutun, neben Einblicken in bislang exotische Bereiche, neben dezidiert politischer Arbeit in der „Bildenden Kunst", haben sich Erzählformen etabliert, die symbolhaft wie Märchen, die Realität der Werteverschiebungen in einem interkulturellem Raum darstellen. Dabei ist die Kunstpraxis nicht auf Film, Video oder Fotografie, sowie Datensammlungen beschränkt.

Dem Bild misstraut Alfredo Jaar in seiner „Lament of Images" betitelten Arbeit, die aber gerade durch die Einbindung eines Textes, einer politischen Botschaft (Die Torturen die man Nelson Mandela angedeihen ließ, oder die Luftangriffe auf Kabul am 7. Oktober 2001 und den parallelen Ankauf aller Rechte für Satellitenbilder) in ein künstlerisches Environment einen zusätzlichen Ausdruck erhält. Nachdem man die in Leuchtkästen platzierten Texte gelesen hat, muss man durch finstere Gänge den Ort verlassen, um plötzlich in einem grellen Lichtraum (mehr oder weniger geblendet) zu stehen, den man daraufhin bestrebt ist eiligst zu verlassen um den Augen wieder normale Sicht zu gönnen. (Alfredo Jaar ist in Chile geboren und lebt in New York)

Doris Salcedo vermittelt durch die Transformation von Möbeln (Tischen und Stühlen) die entweder in ihrer Materialität entfremdet wurden, oder aber irrational anwachsend Räume verstellen oder verspannen, die ineinander geschachtelt oder unlogisch geknickt, ein künstliches Leben führen, stellvertretend, was aus dem Alltag geworden ist. (Doris Salcedo ist in Bogota geboren und lebt auch dort.)

Jeff Wall zeigt in seiner für die Documenta 11 erstellten konzeptuellen Fotografie, eine dieser subjektiven Welten, die sich Menschen in Abwehr eines normierten Einerlei schaffen. Konkret versucht „The Invisible Man" in einer Kellerwohnung in Harlem mit 1369 Glühlampen Licht in seine Sache zu bringen. (Jeff Wall ist in Vancouver/Canada geboren und lebt auch dort.)

Isaac Julien teilt die Filmleinwand in drei Teile und lässt parallel Filme laufen die sich aufeinander beziehen und deren Protagonisten mitunter die Felder queren. Vom Leben der Schwarzen mit den Weißen, als Autonome im Einklang mit der Natur, als Diener der Kolonialherrschaft, als Konkurrent in den Metropolen, erzählt er in Bildern die zwischen Realität und Fiktion angesiedelt sind und die auch Botschaften einweben, wie dies seinerzeit die Märchenerzähler taten. Wie Hass und Liebe entstehen können, präsentiert er mit einem „Herrn der Ringe", der auch versilberte Fußbälle wie die ehemaligen Kristallkugeln befragt und ihrem Lauf Bedeutungen zuordnet. Mit seiner Arbeit „Paradise" ist er wohl auf der Suche nach Möglichkeiten zu einem neuen „Miteinander". (Isaac Julien ist in London geboren und lebt auch dort.)

JANA WISNIEWSKI

(An: Red.Karl Harb: Ein Versuch an die Besucher der Documenta 11 zu denken, die vielleicht mehr als die „Weltnachrichten" sehen wollen und auch nicht tagelang in Archiven wühlen können oder wollen)

HEINZ CIBULKA – BILDGEDICHTE DIE DAS LEBEN SCHRIEB – Fotogalerie Wien

Bei kleinem Raumangebot große Taten setzt die Fotogalerie Wien mit ihren Retrospektiven, die den bescheidenen Titel WERKSCHAU tragen und einmal im Jahr einer herausragenden Persönlichkeit der Foto-Kunstgeschichte Österreichs gewidmet sind. 25 Jahre Heinz Cibulka ergeben auch einen Zeitraffer, der weit eher die Veränderung der Welt, als die Veränderung des Fotokünstlers spiegelt. Er begann mit seinen Bildgedichten, einem Tafelbild das aus vier Einzelbildern besteht, die gemeinsam eine Geschichte erzählen, beziehungsweise viele Geschichten erzählen, da sie ja bei jedem Betrachter andere Erinnerungen wecken, als die sogenannte „narrative" Kunst gerade aktuell war. Inzwischen ist man aber wieder bei Erzählungen aus dem Alltag angelangt, denn nach den Konzeptkünsten und dem Hunger nach Bildern, stellt sich heute für Künstler so sehr die Frage der Identität, beziehungsweise Identitäten, dass die unmittelbare Darstellung von Alltag oft das einzige ist, an dem man sich noch festhalten kann, das einzige ist, was man als Identität begreift. Insoferne ist Heinz Cibulka heute wieder aktuell. Durchlaufen hat er, übrigens wie alle, die sich den Veränderungen auf dieser Welt nicht verschließen, die Wahrnehmung von Ort als realen, lokalen, bis zur Mischung von Örtlichkeiten aus dem Alltag der Medienwirklichkeit und der selbst erlebten Realität vor Ort. Inzwischen mischt er auch Aufnahmen mit analoger und digitaler Kamera, sowie bearbeitete und nicht bearbeitete Bilder. Als Künstler hat er letztlich seine Identität bewahrt, auch seine Sensibilität. Nur das was Ort ist und das was Wirklichkeit ist hat sich verändert. Das Leben, gewoben aus den Komponenten Arbeit, Erotik, Geburt und Tod und der spirituellen Komponente, die immer vorhanden und überall anders ist, ist nach wie vor der Stoff aus dem Kunst gemacht wird. Cibulka zeigt uns einen Spiegel der Gesellschaft, der Ideologien als temporär erscheinen lässt. Die Grundausstattung menschlicher Verhaltensformen ist schon immer ähnlich und daher ist es auch für jeden Betrachter möglich, in den Bildern dieses Künstlers etwas zu sehen, was berührt, positiv oder negativ. Angefangen bei den schwarzweißen Annäherungen an die Umwelt zur Zeit seines Studiums an der Graphischen Lehr-und Versuchsanstalt, über die sehr bekannten Dokumentationen der Nitsch-Aktionen, bis zu Verschnitten aus Realität und Traumfabrik und Bild-Ton Konstrukten, die letztlich ein Video ergeben, wird knapp, jedoch ergiebig eine Künstlerpersönlichkeit dargestellt, begleitet von den im Triton Verlag erscheinenden Fotobüchern – diesmal: Werkschau VI

Jana Wisniewski

HIGH HEELS ZUR VORERÖFFNUNG DER NEUEN KUNSTHALLE WIEN

Mit Vanessa Beecrofts Interventionen im Raum, präsentiert sich die Kunsthalle an jener Schnittstelle zwischen Bildender Kunst und Performativen Aufführungen, die wesentlich das Kunsthallenprogramm bestimmen werden. Vorweg aber ein Blick auf die Architektur, die in der Realität besser herausgekommen ist als auf den Plänen, denn die Stärke liegt im sensiblen Umgang mit Materialität, die Schönheit liegt im Detail. Das Konzept, sinnbildhafter Materialeinsatz und intelligenter Mix von historischer Substanz und aktuellen Anforderungen entsprechenden Zu/Ein/Neubauten kann sich sehen lassen. Mit Vanessa Beecroft setzt sich der erste Eindruck, den die Architektur macht fort, auch ihr kann man Materialverliebtheit nachsagen. 45 mehr oder weniger nackte Mädchen zeigen nicht Persönlichkeit sonder Outfit. Bezüglich Menschenmaterial hat sie auf trainierte, begabte Körper verzichtet, die Bewegungen im Raum werden von einer Truppe von Mädels vollführt, die einer aktuellen Norm der Hübschheit entsprechen und sich relativ unspektakulär in den Räumen bewegen. Die Koketterie liegt auch hier im Detail, denn ob nackt oder mit mehr oder weniger Unterwäsche bekleidet, alle überhöhen eine Normfigur mit High Heels. Ob das nun das Podest für die Kunstfigur sein kann, erscheint insofern fraglich, weil gerade bei den endlos hohen schwarzen Lederstiefeln die Helmut Lang gespendet hat, eine Signalwirkung ausgepielt wird, die ins Rotlicht verweist. Die unberührbaren Schönen können 3 Stunden lang betrachtet werden, genug Zeit um herauszufinden, ob die Frau als Eintopfgericht überhaupt reizvoll ist. Möglicherweise macht es doch mehr Spaß zwischen rassigen, ätherischen, erotischen, sportlichen, intellektuellen und auch mehr oder weniger rundlichen Frauen persönliche Vorlieben zu entwickeln. Das Projekt zielt auf Sensation und auf Besuchermassen und wird sich der Missverständnisse nicht entziehen können, weil es so nahe am Vordergründigen liegt. Der Kunstwert ergibt sich erst durch Beschäftigung, ein Ausschnitt und ganz besonders das Plakat führt eher zu ganz anderen Schlüssen. Dieses Spiel mit den Zuordnungen zu ganz anderen Feldern ist aber derzeit in der Kunst sehr aktuell, am Beginn dieses Jahrtausends unterliegt die Kunst einer Zerreißprobe zwischen Politik und Mode.

Jana Wisniewski

Iké Udé – Inszenierte Fotografie, politisch brisant, gesellschaftskritisch, witzig!

In der MAK-Galerie kann man der Frage nachgehen, wo denn der Unterschied zwischen politisch tätigen Künstlern und politischer Kunst liegt. Der in New York lebende Nigerianer stellt all die Fragen, die sehr viele Menschen jetzt beschäftigen. Er stellt die Fragen nach Realität und deren medialer Repräsentation, die Fragen nach Identität inmitten weltweiter Migration als Künstler in der Form von Kunstprodukten. Das Kunstprodukt ist freilich nicht im engen Raster überkommener Muster zu suchen, der Modeschöpfer, Zeitschriftherausgeber, der hier als Fotograf präsentiert wird, zieht alle Register zeitgenössischer Kunstpraxen. Der Unterschied zu einfachen Demonstranten besteht in der Differenziertheit der Vorgangsweise, einer Vielzahl von Einfällen, die aber nicht einen Bösewicht ausmachen und auf den stur losprügeln, weit eher wird das Ambiente seziert, das zu den diversen Auswüchsen führt.

Der Künstler ist an Mode und Lifestyle interessiert, kann aber gerade darum, sozusagen voll im Trend, die Glitzerwelt unterlaufen und gesellschaftspolitische Statements von beachtlicher Tragweite abgeben. Als konkretes Beispiel sei auf seine Gestaltung von Titelblättern wichtiger Magazine hingewiesen. Diese Titelblätter würden so niemals stattfinden, weil sie nicht nur das aktuelle Thema brilliant darstellen, sondern auch gleichzeitig einer in unterschiedlichen Richtungen hin überzogenen Darstellungsweise des Blattes den Spiegel vorhalten. Die als kritisch anerkannten Blätter Der Spiegel und Profil widmen sich der Neonaziszene derart exzessiv, dass dabei eine Erotisierung des Themas herauskommt und damit eigentlich das Gegenteil von dem, was sie vorhatten. Bei Stern und Playboy sind es eher die ungeschickten, oder platt eindimensionalen Ansichten, welche die Aussagen immer wieder kippen und entlarven. Auch der Mode weis er Hintergründiges abzugewinnen, auch wenn es nur ein gestreiftes Herrenhemd ist, die Etikette kann als Aufforderung für fast alles gelesen werden. Der Einzug von Pornographie in alle Lebensbereiche, bringt der Erotik vielleicht nicht so viel, demoralisiert aber auch weite Felder für die der Intellekt zuständig war. Wo steht nun die Kunst? Wie man anhand dieser Ausstellung vermuten könnte, beginnt sie den unübersichtlichen Mix von Sex&Crime, Mode&Politk mit medialen Mitteln zu schlagen, in einer witzigen Form von Antiwerbung, die mehr entblößt als manchen lieb ist.

Jana Wisniewski

IM BUCHSTABENFELD – Neue Galerie Graz

Gespeist von Werken, die zum Teil schon vor Peter Weibels Leitung des ZKM in Karlsruhe Bestand der Sammlung waren, ergänzt mit neuen oder erneuerten Beispielen einer Kunstpraxis die sich mit dem Wort und zum Teil mit den neuen Medien auseinandersetzt, bleibt der „Entwurf zur Zukunft der Literatur", wie Peter Weibel sein Buchstabenfeld im Untertitel bezeichnet, doch deutlich im Kontext der bildenden Kunst verhaftet. Er beginnt mit Beispielen, die noch vor den Literatur und Kunstartikulationen im Netz lagen, die aber Interaktivität ansatzweise vorwegnahmen. Ecke Bonk´s vorwärts und rückwärts lesbarer Hilferuf an die Medien [ aide moi : o media ] auf Spiegel geschrieben, knüpft ja eigentlich an eine Tradition visualisierter Texte an, die am Beginn des letzten Jahrhunderts in die Kunstsalons drangen. Seit etwa drei Jahren ist nun mit der zunehmenden Verortung im Netz, ein reger Austausch auch mit Kunst oder Literaturqualität entstanden und hat eine vollkommen andere Situation geschaffen. Die Literaturcafes und Berliner oder andere Zimmer, die Fotografie Literatur oder Medienkunstwettbewerbe die jederzeit über die Domain eingesehen werden können, haben das Buchstabenfeld beträchtlich erweitert.

Die Beweglichkeit der Buchstaben hat durch Flash zugenommen und die Interaktivität hat sich von den vorgegebenen Mustern emanzipiert.

Was leistet nun diese Ausstellung? Sie zeigt einen der Wege, den Literatur genommen hat. Wie schon Stephane Mallarme, dessen jahrelange Bemühungen um die Metaebene des Buches, letztlich als Frage der Typographie gesehen werden kann, verbunden mit der Freiheit der Lesestruktur, die aber als Theorie zum Akt des Lesens, wohl ein Minderheitenprogramm bleiben muss, so erweisen sich unterschiedliche Strategien mit dem Charakter des Zufallsgenerators als Grundmuster für Kunstwerke. Die via Video produzierte Textschleife von David Larcher läuft im leeren Raum. David Gabriel produziert „Poesiemaschinen" die zwar auf Texteingaben reagieren, die Resultate daraus erscheinen aber dennoch als verselbstständigt, betreffen den „Mitautor" wohl nicht mehr. Die Formen der Interaktivität sind denkbar bescheiden. Masaki Fujihatas „Beyond Pages", lässt dem engagierten Betrachter wenigstens die Möglichkeit, durch Eintragungen ins virtuelle Buch, Geschichten auszulösen. Diese sind zwar vom Künstler vorgegeben, aber wenn sich überraschend im verdunkelten Zimmer eine Tür zu öffnen scheint, ein Kind hurtig den Ort verlässt, so sieht man sich doch an die Zeit erinnert, als Märchen noch real erschienen. Mit mitunter selbst entwickelter Software, in mehr oder weniger interessanten Apparaturen implementiert, visualisieren Künstler Ideen, die sich aber immer als Reflektion der Bedingungen zu Literatur, Philosophie artikulieren. Wenn ich z.B. durch Blickkontakt einen Text ansprechen kann, dabei aber nicht erfahren kann welchen und warum er sich wie fortschreibt, geschweige denn, dass ich das Resultat im Griff hätte, dann ist das eigentlich frustrierend. Was bekomme ich eigentlich und was darf ich geben? Zusammenfassend kann man in dieser Ausstellung eine Fokussierung auf Literaturen feststellen, die jenseits von linearem schreiben und lesen, auf einem interdisziplinärem Gebiet agieren. Als Trend der Zeit können die Überschneidungen der Kunstbereiche auch parallel in diesem steirischen herbst bei Beat Furrer in der Musik, die Sprache als Tonfragment einsetzt, aber auch als Bedeutungsträger zulässt beobachtet werden. JANA WISNIEWSKI

INTEGRATION IN LEBENSMUSTER - YAYOI KUSAMA in der Kunsthalle Wien

Yayoi Kusama ist in den letzten Jahren durch Rauminstallationen hervorgetreten, die Musterungen und Spiegelungen zusammenführen und den Besucher als Teil der Rauminstallation für sich und andere verfügbar machen. Den Lebensmustern war die Künstlerin schon immer auf der Spur. In den 60er Jahren handelte es sich oft um Aktionistisches, sie plädierte für die „nackte Wahrheit" die jedem eine Chance gibt. Die Punkte (in allen Größen und Farben) sind seit ihren Aktivitäten in der Popart-Szene ein wesentlicher Bestandteil geblieben, ob das nun Raumarbeiten, Körperkunst oder die aus gemusterten Stoffen genähten Früchte und Gemüse sind, mit denen sie (1993) in Venedig gezeigt wurde. Yayoi Kusama war eine „internationale" Künstlerin und ist es jetzt seit etwa zehn Jahren wieder. Es mag einen Einbruch ihrer Aktualität während der „Konzeptart" gegeben haben, darüber hinaus wurde sie aber in Gruppenausstellungen unter jedwedem Muster präsentiert, von der Minimal Art bis zur Popart. Nur, es ist aber gerade ihr radikales Lebenskonzept welches besticht und ihre Arbeiten in jeder Ausstellung markant in Erscheinung treten lässt, ihr Lebens- und Kunstkonzept des sich Auslieferns, des totalen Eintauchens ist vielleicht dennoch „nachhaltige Konzeptkunst".

Die Kunsthalle Wien (Museumsquartier) bringt nun die erste relevante Darstellung der Künstlerin in Mitteleuropa. Die in Japan geborene Yayoi Kusama, ist in New York groß geworden, ist in Europa ausreichend bekannt und hat durchaus auch andere Kontinente erobert (Australien). Die Kuratorin Sabine Folie und das Kunsthallen-Team haben ganze Arbeit geleistet, die Schau ist perfekt und etliche der Installationen vor Ort, in der Kunsthalle Wien, sind bereits im Katalogbuch integriert.

Am Anfang stand die Malerei, in der Folge gab es aber kaum einen Bereich (Texte, Performance, Film, Installationen, Environments) den die Künstlerin nicht in ihr Universum der Visionen integriert hätte. Auch politische Statements im Kleide der Kunst wurden abgegeben, zur Nixon-Affäre und zu Vietnam.

Aktuell kann nun in einer bemerkenswerten Ausstellungsarchitektur von „Pauhof" der Rahmen gefunden werden für die „Polka-Dot-Princess" (Spitzname für die Künstlerin) und ihrer Environments (gemustert) mit aufblasbaren Skulpturen, Interieurs, Spiegelkabinetten, oder einem farbigem Lichtermeer. Die berührendste Skulptur ist vielleicht eine Himmelsleiter aus farbigen Lichtsträngen, die durch Spiegelungen und einer vegetativen Struktur, im wahrsten Sinn des Wortes in den Himmel zu wachsen trachtet.

JANA WISNIEWSKI

JUNGE ARCHITEKTUR AUS JAPAN ( 45 unter 45 ) im Ringturm

Japan hat sich bezüglich Architektur im internationalen Kontext bemerkbar gemacht und das zieht eine Szene der Nachfolger nach sich. Die Jungen, in der Branche Architektur zählt man länger zu den Jungen, weil größere Aufgaben nicht aus dem Stand heraus bewältigt werden können, profitieren von der Generation vor Ihnen. Japanische Architektur, wie sie im Ringturm gezeigt wird, fächert sich in Positionen auf, die sich an eine japanische Tradition anlehnen, und solche die dem internationalen Stil zuzurechnen sind. Neuerdings, wie das auch bei der Architekturbiennale in Venedig zu beobachten war, präsentieren Architekten ihre Produkte oder Visionen publikumsgerecht, also mit ansehnlichen Fotos und mitunter sehr attraktiven Modellen. Bei der Arbeitsweise der Architekten unter 45 kann man davon ausgehen, dass sie mit CAD, mit computergestützten Entwurfstechniken operieren, offenbar wird aber auch das Auffassungsvermögen von Normalverbrauchern einkalkuliert, die trockenen Pläne sind out, Ausstellungen versprechen Genuss, neben Daten steht das Visuelle gekonnt im Rampenlicht.

Shozo Baba, Architekturkritiker in Tokyo, bietet eine Palette der Möglichkeiten an, die durch ein sehr flexibles Studium der Architektur, wie es in Japan gepflegt wird, schon vorweggenommen wird. Der zukünftige „Architekt" kann sich schon während der Studienzeit genauso gut für eine Beamtenlaufbahn oder für den Bereich Baustoffe profilieren, wie für eine Entwurfstätigkeit im Bereich Design, oder für großräumige Projekte. Dementsprechend sieht das Angebot in der Ausstellung aus: Ein exaltiertes Wochenendhaus von Santoshi Okada steht neben Wohnblöcken für Singles, die in Tokyo immerhin schon die Hälfte der Einwohner stellen. Großzügige Lösungen, für Familien, die sich auch die Unterbringung von Gästen leisten können, stehen neben marginalen, flexiblen Miniaturwohnbereichen, wie sie Satoko Shinohara vorschlägt. Mut zur Konfrontation von Sehweisen und damit auch Wohnweisen beweist Naoto Yaegashi mit einem Zubau zu einem Einfamilienhaus. Ein klarer Kubus schließt an ein konventionelles Haus an, der durch unzählige kleine Fenster eine Lichtstruktur erhält, die den Baukörper prägt. Das extremste Sparprogramm wir durch „Portable Architecture" signalisiert. Scheinbar Ort- und zeitlos, mit maximaler Variationsbreite, versucht Mikan eine Individualität der Wohn/Arbeitswelt mit temporärem Charakter. Öffentliche Gebäude zeigen sich als Artwork, als besonderes Bauwerk mit unverwechselbarer Optik. Ob das nun der Gemeindesaal in Reihoku, von Hitoshi Abe ist oder das Atomic Bomb Museum in Nagasaki, entworfen von Ando Sunao, bei öffentlichen Gebäuden ist der Künstler als Architekt gefragt, der ein Sinnbild anbieten kann, welches im Reigen der „Schönen Architekturen" dieser Welt mithalten kann. Neben der bekannten, einfachen Zweckmäßigkeit im Wohnbereich, wie sie von Japan aus die Welt erobert hat, punktet bei kommunalen Gebäuden der internationale Stil, das Kunstwerk eines Stararchitekten.

Jana Wisniewski

KAPITAL & KARMA – Zeitgenössische Kunst aus Indien in der KUNSTHALLE WIEN

Die tradierten Lebenserfahrungen schlagen durchaus durch, auch wenn in diesem Ausschnitt aus dem Kunstleben eines Kontinents, alle technologischen Kunstpraxen berücksichtigt wurden, die man auch in Europa derzeit sieht. Performance auf Video, Fotografie, Objektinstallationen, zeigen neben Malerei und Zeichnung, was in den letzten zehn Jahren durch Globalisierung der Werte, durch Mediatisierung des Alltags, in der Kunst passiert ist.

Vermarktbar ist nach wie vor Malerei, daher besteht das aktuelle Kunstangebot in Indien zu 95% aus Malerei. Allerdings, hat sich hier, wie man am Beispiel von Atul Doiyda sehen kann, inhaltlich sehr viel getan, die Künstler sind am aktuellen Weltgeschehen in Politik und Kunst sehr interessiert und thematisieren das auch in ihrer Arbeit. Im Gegensatz zur in Europa gängigen Vorstellung, dass sich Video und Fotografie besonders für politische Inhalte eignen, beweist diese indische Ausstellung das Gegenteil, denn auch die farbigen Zeichnungen von Suredan Nair verweisen auf die Vereinnahmung tradierter Begriffe und Wertvorstellungen für Gewaltpropaganda einer hinduistischen Rechten.

Seltsamerweise ist die Medienkunst nicht stark ausgeprägt, ein technisch brillantes, einfach zu bedienendes interaktives Werk von Baiju Parthan (Maler und Ingenieur) gibt uns zwar die Möglichkeit der Reise durch die Bedeutungen von Ikonen, doch gerade hier benötigt man Hintergrundinformation (Geschichts- und Religionsunterricht). Die Vielfalt der eingebrachten Begriffe ist sowohl was die gemalten Ikonen, als auch die interaktiven Anordnungen betrifft, klar und benutzerfreundlich angelegt. Die Zusammenführung von Tradition und Globalisierung, von Malerei und CD-ROM oder Netzkunst ist originell, damit ist er nicht nur in Indien Pionier (die neuen Medien werden nur fürs Geschäft genutzt) damit hat er sich auch international positioniert.

Shanatu Lodh hinterfragt in dem Land mit zahlreichen Geisteshaltungen, Religionen, Ethnien, so ziemlich alles, nicht nur die sprichwörtliche heilige Kuh. Dayanita Singh porträtiert die sich erneuernden Zeichen in der Gesellschaft und Vivan Sundaram macht aus seinem Vermarktungsmodell eine Spendenaktion für einen guten Zweck. Ein reiches Begleitprogramm ( wozu auch der Katalog zu zählen ist) erweitern die Sicht auf einen Kontinent im Umbruch.

JANA WISNIEWSKI

KUNSTPROJEKTE FÜR DEN NEUBAU DER UNIVERSITÄT KLAGENFURT

Kunst am Bau ist ja nur zum leidigen Thema geworden, weil Eitelkeiten, Desintersse, Freunderlwirtschaft und organisatorische Unfähigkeit oft genug einer zügigen Realisation frischer Ideen ausreichend Fallstricke legten. In Klagenfurt hat sich nun das Kuratorenmodell für die Kunstprojekte am Bau durchgesetzt, das Ergebnis ist erfreulich. Martin Fritz ist nicht einer jener Kuratoren, die ein paar Künstlernamen ablegen und dann die Realisierung einfach abwarten, er sorgt auch für Kommunikation. Vorab muss man natürlich wissen, in welchem Maßstab Künstler arbeiten können, darf die lokale Szene nicht vollkommen vernachlässigen, darf sich aber auch nicht breitschlagen lassen durch „lokale" Interessen und muss schlussendlich die Ideen, die über herkömmliche Kunstbegriffe hinausragen, durchsetzen. Mit einem Budget, das im Vergleich mit anderen Objekten nicht sonderlich hoch war, ist ein Gesamtbild gelungen, das man als auf der Höhe der Zeit angesiedelt ausweisen kann. Die Sprachorientiertheit der 5 Kunstprojekte, ist nicht das was neu wäre, gelungen ist hier aber die Zusammenführung von Aussage und visueller Qualität. Sprache ist ja auch Heimat und die politische Brisanz liegt in den Verständigungsversuchen. In Kärnten besonders, auf einer Universität speziell, können Hinweise wie sie von Künstlern formuliert werden, Raum bieten für flexible Überlegungen. Der internationale Star (Lawrence Weiner) wurde nicht teuer eingekauft, sondern vom örtlichen Museum übersiedelt: HOLZ (NASS & IN KÄRNTEN) ist eine Dauerleihgabe, die auf der Westseite des Erweiterungsbaus platziert wurde. Durch die Minderheitensprachen der angrenzenden Gebiete, wurde einfachen Sätzen dauerhafte Bedeutung gegeben und den Minderheiten sozusagen Zutrittsrecht zur Universität. Ein kleiner Eingriff in den Bau mit großer Aussage, Sejla Kameric nützt zwei lange transparente Verbindungsgänge um eine Situation herzustellen, die wir vom Flughafen her kennen: EU/OTHERS ! Da aber die Gänge nur Gebäude verbinden und alle dort gehen dürfen, wird jeder Gangnutzer zur „Revolutionär" der die eherne Trennung durchbricht. Heimo Zobernig schreibt in Riesenlettern Bibliothek auf die Bibliothek, tatsächlich macht er aber ein Bild aus dem Bau, indem er die Fensterzeilen als Unterbrechung einkalkuliert und der ganze Block wie einer jener wunderschönen ornamentierten Anfangsbuchstaben aussieht, wie man sie in historischen Bänden noch in jeder Bibliothek sieht. Aller Anfang ist nicht nur schwer, sondern auch faszinierend. Valentin Oman, ein in Kärnten lebender Kärntner Künstler, macht aus seiner Übersetzerkabine einen luftigen Balkon, der aber nach Innen zeigt und letztlich nur als Symbol zu nützen ist. Verständigung muss man auch wollen, nicht nur vom Anderen einfordern. Vielleicht brauchen wir die Übersetzerkabinen mit hermetisch verschlossener Tür um uns klar zu werden, dass es nicht die Sprachschwierigkeiten sind, welche die Barrieren bauen. Schlussendlich huldigt Viktor Rogy vom „UNIKUM" noch einer plausiblen Einstellung: Wer "relaxt" an die Sache geht, hat schon halb gewonnen! Liegestühle am Campus vermitteln einen unkonventionellen Erfolgsbegriff. Es kommt ja wohl nicht darauf an, in welcher Lage man lernt! Am 8. Oktober 2002 um 17 Uhr findet die feierliche Übergabe der Kunstprojekte an die Öffentlichkeit statt

JANA WISNIEWSKI

„KUNST-STÜCKE": Visionen zum Jahr 2068

Die aufmüpfige 68er Generation war die Inspiration, das 20jährige Jubiläum der ORF-Sendung „Kunst-Stücke" der Anlass, eine Ausschreibung an die Kunsthochschulen ergehen zu lassen. In einer abgewohnten Absteige in 1070 Wien, Zollergasse 13, die den Veranstaltern von Palmers überlassen wurde, zeigen 16 Künstler was ihnen in der unverschämt kurzen Zeit zu ZEITWENDEN ZEIT_WENDEN eingefallen ist.

Wenn die Fernseh-Moderatorin (Andrea Schurian) ruft, dann stellt sich vor allem die Vision ein, dass dieses Event im Fernsehen gezeigt wird. Dass Künstler innerhalb von 6 Wochen Visionen entwickeln ist weniger wahrscheinlich, dass sich im Jahr 2068 etwas besonderes ereignen wird am unwahrscheinlichsten. Schon im Stiegenaufgang ein Hinweis auf eine Ausgrenzung eines von der Jury erwählten, die aber durch die Namensgleichheit (Vorname) mit einem Realitiy-TV-Liebling vorerst als netter Witz verstanden wird. Nachdem man sich durch einen Vorraum mit vielen riesigen Luftblasen gearbeitet hat, stellt sich der „vergessene" Künstler, der aber von einer Kollegin doch „Raum" bekommen hat, als der echte 68er heraus. Sein Fehler war, dass er Geld für (Kunst)Arbeit wollte und dabei die Berechnungen eines Hausmeisters anstellte – sich also in guter 68er Manier Gedanken über Produktionsbedingungen machte und sich den „Kunstkonventionen" nicht beugen wollte. Durch die Idealisierung der 68er sind deren Intentionen eigentlich verstümmelt worden. In erster Linie war es eine Studenten/Jugendrevolte, die Umverteilung im Sinne hatte. In zweiter Linie gaben sich Künstler kühnen geistigen Höhenflügen hin, die auch mehr als Lifestyle sein sollten. All jene, die damals nach neuen Umgangsformen suchten, wurden keineswegs von etablierten Institutionen dazu aufgefordert, nicht juriert und nicht prämiert, weit eher von der Polizei verdroschen, von Professoren wegen Langhaar bei Prüfungen ein bisserl schikaniert, von den Eltern beschimpft und sicher nicht vom General des Museumsquartiers besucht.

Nun, was tun Künstler, wenn die sexuelle Revolution derart überholt ist, dass überall alles gezeigt wird, wenn Politiker viel schlechtere Manieren haben und so was wie „falsche Moral" nicht mehr bekämpft werden kann weil das Wort Moral und dessen Bedeutung sowieso ausgestorben ist. Bleibt da noch viel mehr als Unterhaltungsdekoration? Man kann zwar sicher keine Ministerin mehr schocken indem man sich die Kleider vom Leib reißt, wie Hundertwasser vor Firnberg, man kann aber die Anbote nützen und die Wirkung der Ideen testen. Interessant sind oft die Dinge jenseits konzeptiver Strategien, so die Enge der Gänge in der Wohnung die zu Kommunikationen wider Willen führen und zu Rücksichten die man nicht mehr gewohnt ist. Das Besuchergewühl wird zur Projektionsfläche, die eigentlich transparenten Wortgeflechten gegolten hat, die Zukunftsräume werden zu hilflosen Versuchen in einer übertechnisierten Welt mit ein wenig Pappe, Silberpapier und Draht zu überleben. Die finanzschwachen medialen Konzepte junger Künstler können einfach nicht mit den Anforderungen der neuen Technologien mithalten. Was möglich ist, sieht man ja gerade im TV. Als Gesamtbild ergibt sich eher die Vorstellung, dass diese Künstler das jetzt und hier erleiden, nicht gestalten – Zukunft scheint eher durch Verluste von Lebensqualität gekennzeichnet, denn durch Strategien geprägt.

Jana Wisniewski

KUTLUG ATAMAN in der BAWAG Foundation

Der türkische? (Video)Filmer mit Ausbildung in USA und Aufenthalt in London nützt seinen Zugang zum Heimatland? Türkei, um uns ein Frauenbild zu zeigen, das wir so nicht vermutet haben, so nicht kennen lernen könnten, weil wir diese Vertauensbasis wohl kaum aufbauen könnten. Kutlug Ataman filmt Frauenporträts, die weitgehend als Selbstdarstellung der Darstellerinnen verstanden werden können. Mit schonungsloser Offenheit wird hier Leben nachgezeichnet, Privates ebenso wie Öffentliches, ja sogar Leben die vorwiegend (aus politischen Gründen) im Untergrund stattgefunden haben. In einer internationalisierten Gesellschaft, wagen sich einerseits Frauen ihr Leben vorzuspielen, nachzuerzählen, das im Gegensatz zu den normierten Vorstellungen stand, andererseits lässt ein (türkischer)Mann zu, und hält dies alles fest, dass am tradierten Frauenbild derart gerüttelt wird. Semiha Berksoy, eine 92jährige Operndiva, eine türkische Prostituierte, und vier Frauen, die aus unterschiedlichen Gründen Perücken tragen (Krankheit, Tarnung) geben Einblick in ein Leben voller Abenteuer, Unterdrückung und Widerstand.

JANA WISNIEWSKI

La Biennale di Architettura Venezia 2002 – Die Auswahl für den Pavillon Österreich

Zum Thema „NEXT", welches vom Direktor der diesjährigen Biennale bereits fixiert wurde, hat Dietmar Steiner für den Beitrag Österreichs auf eigenwillige Persönlichkeiten gesetzt, die zum Teil ein ganzes Leben lang „Ihre Architektur" gesucht haben, jenseits von Mainstream und Großaufträgen. Nach den langen Jahren, in denen die Internationalisierung und Mediatisierung aller Events, letztlich zum Internationalen Stil geführt haben, entstand die Frage: Was kommt danach? NEXT sucht nach individuellen, vielleicht lokalen, sicher aber ausgefeilten Konzepten, jenseits der Schnellsiedeküchen zu denen manche Architekturbüros schon verkommen sind, geprägt von Zeitdruck und ermöglicht durch Computertechnologien.

Dietmar Steiner will offenbar überraschen, also zeigen was es in Österreich außer den weltweit bekannten Architekturgrößen noch gibt.

Mit Jan Turnovsky setzt er einem vorzüglichen Lehrer und Theoretiker und dessen Wirkungsfeld an der Wiener Technischen Universität ein Denkmal – Turnovsky ist bereits 1995 verstorben.

Heidulf Gerngross, ein permanenter Experimentator, ist von seiner Lebensausrichtung her Künstler, womit gesagt sein soll, seine Intentionen gehen über Architektur hinaus. Der Älteste unter den Erwählten, erfreut sich und uns, was seine Arbeit betrifft mit ewiger Jugend.

Rainer Köberl, 1956 geboren, ist ebenfalls durch eine vielschichtige Arbeitsweise aufgefallen. Seine Architekturen sind stets auf die Integration verschiedenster Wirkungsbereiche bestens eingestellt.

Die junge Architektin Nelo Auer ( 1966 geboren) hat vor allem eine sehr vielschichtige Ausbildung, von der Mode über Wirtschaft, zu Geisteswissenschaften und Architektur, sie steht bis jetzt für Workshops und Medienprojekte zur Architektur und rund um Architektur.

Jana Wisniewski

LEBT UND ARBEITET IN WIEN – Kunsthalle Wien

Drei Kuratoren mit Rang und Namen in der Kunstwelt, haben eine zeitgenössische Ausstellung konzipiert, die ihnen Wien etwas näher brachte und uns die Vorgangsweise von Fachleuten wie sie jenseits der Insel Austria praktiziert wird. Als vierter Kurator wäre Robert Fleck vorgesehen gewesen, doch der hatte sich im Vorfeld der Vorbereitungen mit dem Hinweis abgesetzt, dass er nach dem politischen Machtwechsel nicht mehr in Wien arbeiten möchte.

Dank einer professionellen Betrachtungsweise von Paolo Herkenhoff, ( Rio de Janeiro und New York) Maaretta Jaukkuri (Helsinki) und Rosa Martinez (Barcelona) konnten aus den von Insidern vorgeschlagenen 100 Wiener Künstlern, 26 herausgefiltert werden, die als Zeichen der Zeit, auch anderswo bestehen könnten. Für die Kuratoren, die einen weiten Blick haben, internationale Praxis und ein vertieftes Verhältnis zur Kunst, entstanden einige Fragen, die zu überdenken auch für uns Sinn machen würde. So fragt sich z.B. Paolo Herkenhoff, ob in Wien „international sein" bedeutet, dass man alles negiert oder übergeht was international aus Wien kommend anerkannt ist. Er vermisste eine intellektuelle Schiene im Fahrwasser der Theorie unbewusster Konflikte von Freud, oder der trügerischen Macht der Sprache von Wittgenstein. Rosa Martinez, soeben von der Weltvereinigung der Kuratoren zur besten Kuratorin gekürt, verhielt sich selbstreflexiv. Sie problematisiert das Thema Sprache und Muttersprache, das letztlich auch im Zusammenhang mit bildender Kunst relevant ist. Für Maaretta Jaukkuri entstand die Herausforderung durch die Frage: Wie kontextualisiert man die Kunst eines Ortes ohne ihn zu kennen? Ihr Interesse gilt den feinen Spannungen zwischen Lokalem und Intertnationalem. In den Wiener Kunststrategien der Zeitgenossen sieht sie vorwiegend ein reagieren auf die übermächtige Vergangenheit, ein Ironisieren, ohne Ausblicke auf Zukunftsvisionen.

Aus meiner Sicht lohnt die Ausstellung weil es 3 Positionen von Künstlern gibt, die erstens Qualität haben, die ihren Weg durchaus mit der Akzeptanz heimischer Kunstkritiker gehen, international auch verstanden werden und zudem tatsächlich etwas über Wien aussagen.

Zu Elke Krystufeks „Herstory" steigt man steil an über einen zickzack angelegten Garten aus Grün und Zierkiesel. Ein Video zeigt ihren Lebensweg vom Beginn bis Heute. Wenn jemand naiv geschlossen haben könnte, ihre Kotzerei am Klo, die Selbstbefriedigung in der Kunsthalle, diverse Selbstquälereien lassen auf eine Kindheit in der Gosse schließen, wird hier eines Besseren belehrt. Hier spielt sich die heile Familie ab, in gehobenem Milieu, mit Sommer am Meer und Winter in den Bergen, mit Pool, Reiten, Surfen, Schifahren mit netten Eltern und einem wohlwollenden Kommentar im Hintergrund (Oma?)

Der Einbruch oder Ausbruch der Sexualität zieht einen harschen Schlussstrich unter die Idylle, jetzt will Elke einmal was ganz anderes erleben, sie setzt sich aus und nützt als Künstlerin ihren eigenen Körper um zu reflektieren was es auf der Welt sonst noch gibt. Vor allem aber ist nun Schluss mit artig. Als Zukunftsvision der Emanzipation kann man das zwar kaum bezeichnen, aber im Kunstkontext kommen diese Entäußerungen gut an. Wienerisch daran ist die Brutalität und Ausweglosigkeit und die Definition von Genuss als Exzess.

Erwin Wurm hat mit seiner ONE MINUTE SCULPTURE den Nagel auf den Kopf getroffen. Mit banalsten Gegenständen, Bananen, Socken, Kübel, verschaffen sich zwei Personen Auftritte, die in ihrer Art zwar zutiefst lächerlich sind, aber ernsthaft vorgetragen eben ihre Wirkung tun. Auch seine Bildserie eines Mannes der eine Raumuntersuchung durchführt, bei der er mehr oder weniger mit dem Kopf durch die Wand geht, ist so unangestrengt, so distanziert, dass sie weise wirkt. Das ist die andere Komponente dessen, was man als wienerisch bezeichnen könnte, eine sehr versöhnliche Variante (ausweglos aber nicht ernst).

Gregor Zivic erfreut in „no motion" mit biederen Sensationen, dem modernen Highlive von der Stange. Ach, wie ist das alles schick!

Eingebettet ist die Ausstellung in der Künstler keineswegs Kunst als politische Agitation servieren in einen Katalog der lokalen Meinungsmacher und damit wieder zurückgeholt ins Wienschema – Schade!

Jana Wisniewski

LICHT-BILD – aktuelle Künstler beschäftigen sich mit den Wurzeln des Mediums

Seit einigen Jahren ist ein Trend zu beobachten – Künstler beschäftigen sich mit den Vorfahren jener Technologien, die das Lichtbild zum allgemein verfügbaren „Volkssport" haben werden lassen – Fotografie, analog oder digital, erlaubt zwar künstlerische Kriterien, technisch sind die Hürden aber überschaubar. Ohne ausreichende Computerkenntnisse ist zwar die digitale Fotografie nicht wirklich brauchbar, dennoch sind die analogen Festungen dem Ansturm erlegen. Was könnte der Grund sein, warum sich Künstler zunehmend mit „historischen" Technologien auseinandersetzen, oder aber auf die Ausgangsbasis von virtuellen Strategien setzen.?

Das Festival „Licht/Realität/Bild" auf der griechischen Insel Aegina, setzte ein Zeichen durch den Bau des „Camera Obscura Hauses" auf einer Landzuge in paradiesischer Meereslandschaft. Mehrere archaische Positionen scheinen sich hier zu treffen: Turmbau wurde in dieser Gegend, wie anderswo auch zur Aussicht/Abwehr aus militärischen Gründen errichtet. Ähnliche historische Gebilde gibt es auch auf der Insel, bezogen auf die Kämpfe der Hellenen mit den Persern, also östliches und westliches Gedankengut. Der Rundbau in Perdika auf Aegina, von den Österreichern Franz Berzel/Gustav Deutsch errichtet, bezieht sich auf visuelle Kulturen, die keineswegs länderspezifisch sind – anzumerken wäre aber, ob die Griechen das nun gerne sehen oder nicht, die Sichtbarkeit der Hochkultur der Hellenen, dieser weltweit als Hochblüte der Kultur zu akzeptierenden Zeitzeichen, ist deutschen und österreichischen wissenschaftlichen Ausgrabungsaktivitäten zu verdanken. Das Westliche Erbe war über lange Zeit unter unauffälligen Wiesen begraben. Die Kooperation von griechischen Philosophen und österreichischen Künstlern bei diesem Festival, wenngleich durch Sprachschwierigkeiten etwas eingebremst, ist dennoch ein schönes LICHTBILD geworden. Visuelle Kommunikation verhalf zu einem gegenseitigen Verständnis ohne Worte.

Bei den Künstlern herrscht eine Animosität gegenüber dem Lebensdesign, das alles machbar erscheinen lässt und irgendwie immer an der Oberfläche schwimmt. Mehr Tiefgang ist gefragt. Das mag der Grund dafür sein, dass Künstler zu den Ausgangsstrategien zurückkehren, auch wenn sie längst mit Film, Video, Webkunst oder elementaren Internetstatements ihre Zeitgenossenschaft manifestiert haben. Mit einer einfachen Öffnung im geschlossenen Rundbau, durch eindringen von Licht ein Panoramabild zu erzeugen, das mag zwar heute befremden, doch vor hundert Jahren haben sich Panoramamaler damit enorm profilieren können, und wie einfach ist es doch, wenn die Natur selbst malt! Umgekehrt, haben die ersten Internetfreaks an die totale Freiheit der Kommunikation geglaubt, inzwischen etwas ernüchtert, spielen MAMAX aber immer noch die grundsätzlichen Qualitäten der Programmierung aus. Letztlich ist ja das was wir auf dem Bildschirm tagtäglich beobachten auch ein LICHTBILD.

Im südlichen Licht wird manches nicht so heiß gegessen, die Positionen der Geschichte versöhnen sich. Was bleibt ist die Qualität der Fragestellung. Den permanenten Neuigkeiten begegnen gerade jene, die sie ja tatsächlich schufen, die Künstler, gelassen. Bei „breaking news", einem Filmprogramm machen sie sich regelrecht lustig über die Highlights, die fürchterlich abgesoffen sind, im wahrsten Sinne des Wortes – man zeigte den unvorhergesehenen Untergang von Schiffen für die High Society und andere Unpässlichkeiten, die den Atem der zahlreich erschienen Kommentatoren stocken ließen.

Was ist ein Lichtbild, kann man sich da fragen, etwas Positives oder etwas das der Realität verpflichtet ist, sozusagen die ungeschminkte Wahrheit zeigt?

JANA WISNIEWSKI

LIFE GOES ON – ART PILL und andere „Glücksbringer" in :IGBILDENDEKUNST

Als MAK NITE – Event verabreichte IGBILDENDEKUNST einen Sponsorenpreis, die ART PILL an die Siemens Austria AG, dem Phänomen Pille widmet die Institution eine Ausstellung in ihren Räumlichkeiten in der Gumpendorferstraße in Wien. Ausgangspunkt ist sicherlich der aktuelle Trend, mit Pillen einfach alles steuern zu wollen, vom Krankheitserreger über die Gewichtsabnahme bis zum Sex. Lustvoll übertrieben haben die Künstler bei dem Darstellungsversuch dieses gesellschaftlichen Phänomens. Nette Packungen von Christian Trinkhauser Thurner versprechen Normalität, Moralität und philosophische Gelassenheit per Einnahme, schnell und unkompliziert. Aber Vorsicht! Das Markenzeichen FuckDead (frei nach der extremen Musikgruppe FuckHead) schließt Drogenmissbrauch nicht aus. Darüber hinaus empfiehlt es sich die sorgsam aufgelegten Beipackzettel von Kunstkritikern/Theoretikern zu lesen, denn wer weis schon, was „Schluckbilder" wirklich bewirken. Bemerkenswert ist auch die Zusammensetzung des Phänomens „Künstler" die in Prozentangaben wie 3,2 % Wirt, 3,9 % Heilsbringer, 8,5 % Sozialarbeiter, aber nur 0,6 % Guru, 2 % Schöpfer, 3 % Innovator enttarnt wird, aber immerhin 2 % Alkoholverbraucher, dafür aber 7,8 % Kellner – sieht irgendwie nach Fremdarbeiter aus! Als Kontraindikation empfiehlt sich das „Bankett der Eventualisten", also demonstrieren, boykottieren und mit oder ohne Menasse das Land verlassen, in der Hoffnung, das mühsam Erworbene nicht dem Staat abliefern zu müssen. Sollte man den Verdacht haben, da hätten sich die NONAMES oder NEBENERWERBSKÜNSTLER wie sie Menasse nannte zusammengerotten, so stimmt ersteres nicht, was Namen wie Constanze Ruhm, Simon Wachsmuth, Adi Rosenblum/Markus Muntean, Katarina Matiasek beweisen, ob die Notwendigkeit zum Nebenerwerb als Ausschluss aus dem Verständnis künstlerischer Professionalität ein taugliches Mittel ist, wird nicht zuletzt nach der Documenta 11 anders diskutiert werden müssen, denn die Zeichen stehen nicht mehr auf Markttauglichkeit.

Jana Wisniewski

 MIA SAN MIA – HANS HAACKE in der Generali Foundation

Ursprünglich sollte es eine Retrospektive werden, doch Hans Haacke ist kein "Fall für Retrospektiven", lieber installiert er Zeitgeist an "Kunstwänden" und provoziert umdenken in Kulturfragen. Irgendwie trifft er immer und immer noch den Nagel auf den Kopf. Mit seiner Widmung im Berliner Reichstag 1999/2000, nicht etwa dem Volk, sondern „Der Bevölkerung" sprach er ein globales Problem an, wer oder was SAN MIA eigentlich? Von „Reinrassigkeit" weit entfernt, wird „Nationalität" eine immer schwieriger zu beschreibende Angelegenheit – hilflos klammern sich Nationen an Klischees. Wie lächerlich diese Klischees meist sind, das führt uns Hans Haacke gern in Ausstellungen vor, derzeit in der Generali Foundation, die den Anlaß wahrnimmt, noch weitere „schwierige" weil sowohl „politisch relevante" als auch „intellektuell anspruchsvolle" Kunstwerke aus der Sammlung zu präsentieren.

Natürlich geißelt Hans Haacke, vorzugsweise die „Deutschen" oder die Österreicher in einem ganz bestimmten Fahrwasser, da kennt er sich ja auch am besten aus, das stößt ihm wohl immer wieder aus aktuellem Anlass auf. Gordon Matta-Clark (1943 – 1978 New York) hatte ganz eigenwillige Gedanken bezüglich Wert und Besitz, die er in „Kunstwerke" transformierte. Er kaufte unverkäuflichen Grund und verteilte ihn in Form von Zertifikaten als Kunstaktion. Martha Rosler (New York) oder Johanna Kandl (Wien) legen immer wieder Verhaltensformen bloß, die man tatsächlich schwerlich als „menschenwürdig" deklarieren könnte. So geben sich viele „Völker" recht auffällig „Blößen" und Künstler nützen ihren „Freiraum", den Kunstkontext, um die Finger auf die Wunden zu legen.

Jana Wisniewski

MILCH VOM ULTRABLAUEN STROM – KUNSTHALLE KREMS

Im Gegensatz zur derzeit laufenden Ausstellung „Lebt und arbeitet in Wien" die viele Fragen aufwirft, den Ort eher als Fußnote zu Künstlerpersönlichkeiten anzeigt, ist Milch vom ultrablauen Strom eine herkömmliche „Österreichausstellung" die auf Qualitäten pocht und sie dann in der Folge auch in einigen östlichen Nachbarländern zeigt. Die Strategien österreichischer Künstler von 1960 bis 2000 werden nicht in zeitlicher Entwicklung aufgerollt, sondern enthalten „aktuelle" Positionen und „wegweisende" Arbeiten, so zumindest das Konzept von Wolfgang Denk.

Die Konfrontation von Momentaufnahme und Rückblick ist schon deswegen problematisch, weil beide Positionen in der hier gepflogenen, dezidierten Bewertung, nicht wirklich repräsentativ sind, ostlastig und körperlastig erhält der Begriff „Energie" eine Schräglage. In dem zu kurzen Zeitraum kann man Gegenwart und Vergangenheit nicht leicht trennen, vor allem weil sich die Kunst derjenigen, die noch leben und aktiv sind wie Rainer und Nitsch, seit Jahren nicht nennenswert verändern. Ist das jetzt ein Zeichen der Zeit, oder überdauert das Potential einer Handschrift eben Jahrzehnte? Kann man jüngere Positionen als Nachfolger sehen, oder ist es nicht so, dass da ganz andere Intentionen am Werk sind. Es mag durchaus interessant sein, die Malerriege zu ergänzen, nur was soll man von dem Nebeneinander von aktuellem Schmalix und verstorbenem Klinkan halten, wenn wenige Zimmer weiter Muntean/Rosenblum zeigen, dass der Faden gerissen ist und die Malerei woanders anknüpft.

Soviel Power, soviel Herausragend ist ja sowieso nicht in. Wo immer man hinsieht, die Künstler spielen eher unterkühlt, distanziert, ironisch, was sie wirklich beschäftigt ist die Frage ob es Identität noch gibt und was denn Ort heute bedeutet. Nationalität ist derzeit ein so belastetes Feld, dass man Künstler besser nicht unter einer Fahne versammelt. Außerdem sind gerade jetzt deutliche Bruchlinien zu sehen, Kunst verknüpft sich mit Bereichen mit denen sie bisher lieber nicht in einem Atemzug genannt werden wollte.

Als zeitgemäß kann man die fotografischen Ausschnitte aus dem Leben von Ella Raidel sehen, die so schnell über den Bildschirm fetzen, dass man nur mehr die übergeordneten Botschaften mitkriegt, das Individuelle bleibt auf der Strecke. Swetlana Heger/Palmen Dejanov zeigen uns welche Körper heute zählen, BMW-Motoren z.B. Patricia Grzonka schreibt im Katalog: L´ AUTRICHE N´ EXISTE PLUS. Der einzige fremdsprachige Satz versucht die Existenz einer Haltung zu widerlegen, die zwar nicht von den einzelnen Künstlern ausgeht, die aber als Zusammenschau dennoch vorhanden ist. Die Zeit der Auslandskulturpakete ist abgelaufen, Kunst vernetzt sich längst sinnfälliger.

Jana Wisniewski

NEUES BAUEN IN DEN ALPEN – Architektur im Ringturm

Zum dritten Mal vergab die Gemeinde Sexten, ein Fremdenverkehrsort mit 1.800 Einwohnern in den Südtiroler Dolomiten den Preis für Alpine Architektur. Die Ausstellung zum Preis von 1999 tourt nun durch namhafte Architekturinstitutionen. Von der Generalversammlung der Vereinten Nationen wurde 2002 zum Jahr der Berge ausgerufen, die Lebensräume in den Bergzonen sind nun weltweit im Gespräch.

Mit Alpen, sind bezüglich Preis und Ausstellung wirklich die Alpen gemeint, nicht etwa die Anden oder irgendwelche andere Bergmassive und die Fachjury kommt aus den Alpenländern ( Friedrich Achleitner, Wien, Sebastiano Brandolini, Mailand, Manfred Kovatsch, München, Marcel Meili, Zürich, Bruno Reichlin, Genf.

Einen Ehrenpreis erhielt der 92jährige Eduardo Gellner (Cortina/Italien) der als Auslöser dieser Diskussion gelten kann, denn seine frühen Recherchen verwiesen auf ein Defizit: Ein Bewusstsein für die lokalen, landschaftlichen Voraussetzungen konnte er nur bis etwa 1930 orten, danach übte sich die Bautätigkeit in Repetitionen, Forschreibungen vermeintlicher Alpentauglichkeit und jenem international inspiriertem Artikulationen von zweifelhafter Güte, welche die Gegenwart prägen. Neben Gellner, kann auch der Preisträger Peter Zumthor (Haldenstein/Schweiz) zum harten Kern der Vordenker für ein intelligentes Bauen in der Berglandschaft gelten. Die Therme Vals, Graubünden, Schweiz ist diesmal das Siegerprojekt, doch hat er schon bei der ersten Ausschreibung 1992 mit seiner Kapelle in Sogn Benedegt die Jury überzeugt und gewonnen. 1999 teilte er den Preis mit Jürg Conzett, dem Ingenieur des Traversiner Steg Via Mala, Rongellen, Graubünden, Schweiz. Auch Jürg Conzett war in den Jahren seit 1992 immer wieder mit überzeugenden Lösungen präsent. Da nun Peter Zumthor mit dem Kunsthaus Bregenz auch in ein anderes Fahrwasser kam und international ins Rampenlicht getreten ist, hat sich das auch rückwirkend auf die Pionierleistung in Sexten ausgewirkt, neues Bauen in den Alpen ist in Fachkreisen ein Thema. Nach wie vor wäre es aber wichtiger, die Baudiskussion dort zu führen, wo Bürgermeister, Marketingmanager und Fremdenverkehrsstrategen Entscheidungen treffen und Hoteliers vielleicht mit selektierter Architektur konfrontiert werden sollten.

Die Jury beurteilt vor Ort, denn es geht nicht darum, ein Objekt zu prämieren, es geht um Architekturen in einem bestimmten Umfeld. Vermehrt will man in Zukunft auch Landschaftsarchitekten ansprechen und einbeziehen. Das Katalogbuch zur Ausstellung ist ebenfalls ein „ausgezeichnetes" Werk ( Deutscher Buchpreis ) bei Birkhäuser erschienen – es setzt die Intentionen zur Baukultur in den Alpen linear fort. Auch Fotografie hält sich an den Landschaftskontext, die Wirkung vor Ort soll vermittelt werden. Der Grund, warum so wenig Gebrauch gemacht wird von der Strenge durchdachter Lösungen könnte darin liegen, dass in einer Zeit in der doch viel Geld im Umlauf ist, so marginale ästhetische Äußerungen, so strikte, konstruktive Realisierungen, den Nutzern und Auftraggebern zu bescheiden erscheinen. Einige der in dieser Ausstellung gezeigten Projekte wurden und werden heftig angefeindet. Als Erweiterung des Qualitätskataloges könnte man auch einmal laut darüber nachdenken, ob die Alpen wirklich nur „streng" sind, und ob Farbe tatsächlich nicht stattfindet. Die Baugeschichte in den Alpen beweist das nicht.

JANA WISNIEWSKI

NEXT SEX – Symposium, Netzkunst, Print on Screen

Für Menschen, denen die Mitgestaltung an Musikstücken durch Käppchen heben des Publikums nicht qualitätsverdächtig erscheint und der Spermienwettlauf am Linzer Hauptplatz nach Zuchtstierverhalten riecht, ist vor allem die Ausstellung Print on Screen im Ars Electronica Center interes- sant. Schließlich darf man von einem Festival, das immer noch Ars Electronica heißt, einen künstlerischen Umgang mit den neuen Medien auf der Höhe der Zeit erwarten. Chatrooms gibt es inzwischen überall, dass man mit Photoshop Klons erzeugen kann, hat sich auch weitgehend herumgesprochen. Animierte Clip-Art wird fleißig von Computerfreaks per E-Mail versandt und die Darstellung von Sex im Heimporno-Stil ist nicht gerade Künstlern vorbehalten geblieben. Print on Screen ist eine gute Möglichkeit aus Produktionen die eigentlich webtauglich sind, eine Ausstel- lung zu gestalten. Auf den großen Screens sieht alles viel besser aus als zu Hause am Computer und mit Maus, Tastatur oder Körperbewegung kann man dennoch in interaktive Kommunikation treten. Entscheidend dabei ist aber, dass die Künstler selbst sehr viel vorgegeben haben, bezüglich Inhalt und Gestalt und dass sie auch den Betrachter insoferne ernst nehmen, als sie ihm auch mehr als Hütchen lüpfen abverlangen.

Während beim Symposium Sex ein vor allem von Liebe vollkommen abgehobenes Thema blieb, wie ein Mann aus dem Publikum am Ende der Gespräche anmerkte, ist bei den Kunstprodukten weit eher Emotion in Bezug auf Überleben, politische Kultur, zwischenmenschlicher Beziehung, in vielerlei ästhetischen Kategorien wahrzunehmen.

Next Sex im Symposion entwickelte sich als Horrorszenario. Die Möglichkeit einer faschistoiden Zuchtstrategie liegt relativ nahe, die Chance auf eine bessere Partnerschaft durch Entlastung von Risikofaktoren ist nur ein Ansatz, eine neue Form der Ausbeutung der Frau als Produktionsgerät ist ein anderer. Quer durch die Geschichte haben immer wieder Politik und Religion auf die Reproduktion zugegriffen, aus unterschiedlichen strategischen Gründen und die nicht reproduktiven Homos und Lesben stigmatisiert. Praktiken der Empfängnisverhütung sind so alt wie die Welt, das Lustprinzip wurde nicht jetzt erfunden, weit eher droht die restlose Vermarktung aller Bereiche des Lebens.

Die Schöpfer virtueller Wesen, Christa Sommerer und Laurent Mignonneau erlauben dem Betrachter durch Texteingabe, z.B. eines Vornamens, ein Wesen zu erzeugen, das je nach der Art der Buchstabenzusammensetzung auch unterschiedlich aussieht. Die Wesen strampeln oder schwingen durch einen Garten Eden, müssen aber mit Buchstaben gefüttert werden und zwar nur jenen, aus denen sie bestehen. Die Wesen paaren sich, erzeugen Mischwesen und sterben ohne Zuwendung.

Ein ganzes Imperium an Texten, Bildern und Musik in wechselweiser Beziehung, interaktiv abrufbar, haben Ursula Hentschläger und Zelko Wiener gestaltet. Unter Zeitgenossen – binary art site, www.zeitgenossen.com kann man sie im Netz besuchen. Entwickelt wird hier vor allem eine Webdramaturgie, eine Möglichkeit wie man dieses Medium sinnfällig nützen kann. Poetische, politische, zeitgeistige, Lifestyle paraphrasierende Passagen versetzen den Rezipienten in eine virtuelle Welt die ihm denoch vertraut ist, weil er die Bausteine kennt.

Peter Mühlfriedel und Gundula Markeffsky laufen unter www.electrica.leonid.de. Sie konstruieren ein ganz ungewohntes Musikfeld in mehreren Etagen. Die Grafik ist wie ein neues Notensystem angelegt und dient als Ausgangspunkt für ein abhören und steuern von Musiksätzen.

Diese drei Beispiele sind nicht nur aktuelle Medienkunst vom Feinsten, sie beweisen auch dass NEXT SEX eine versteckte, überraschende Seite hat: offenbar können heute Paare sich gegenseitig befruchtend Kunst generieren.

Jana Wisniewski

STEVEN HOLL – Idee und Phenomene – Eröffnungsausstellung der neuen Räume im AZW

Vorweg eine launige Geschichte: Dietmar Steiner antwortete vor einigen Jahren auf die fragwürdig Frage eines Journalisten, wer ist der beste lebende Architekt, mit Steven Holl. Was damals sicher eine gewagte Feststellung war, versucht der Leiter des Architekturzentrum Wien nun zu bestätigen. Seit Jean Nouvel, der seine Ausstellung im AZW ebenfalls selbst gestaltete, ist es die überzeugendste Präsentation bezüglich Inhalt und Form.

Steven Holl, 1947 in Bremerton, Washington geboren, betreibt ein Atelier in New York und hat sich daneben durch Lehrtätigkeit und Ausstellungstätigkeit profiliert. In Europa wurde er erst in den letzten fünf Jahren vermehrt wahrgenommen, seit der Realisierung des Kiasma Museum of Contemporary Art in Helsinki, davor fiel er vorwiegend bei Wettbewerben durch Ideenreichtum und bestechende Lichtführung in seinen Bauten auf. Die aktuelle Austellung im Museumsquartier zeigt seine Vorgehensweise, angefangen bei fast tagebuchartigen farbigen Ideenskizzen in Aquarelltechnik, über einfache Kartonmodelle, zu Architekturmodellen in der Art von Kleinsklulpturen, bis zum Großbildvideo, das alle Register moderner Computertechnologien zieht, ohne sich dabei in grafischen Spielereien zu verlieren. Die neuen Räume (einer mit natürlichem Licht und einer der wie ein kleines Kino funktioniert) können ohne viel Ausstellungsarchitektur sinnvoll genützt werden.

Steven Holl geht meist von einer rohen Form aus, wie ein Bildhauer vom Stein. Der Ausgangspunkt kann ein Quader sein, in den die Öffnungen nicht nur als Nutzungsstrategie gefügt, sondern als visuelles Erlebnis und als Lichtführungsstrategie gesetzt werden. Der Ausgangspunkt kann auch ein Ast, eine Wurzel, ein vegetatives Element sein, welches zum Baukörper stilisiert wird. Geometrische und vegetative Elemente können auch als Gegensatzpaar gemeinsam wirken, wie etwa bei dem Museum der Entwicklungsgeschichte des Menschen in Burgos, Spanien. In der Mehrzahl seiner Bauten ergänzen sich Chaos und Ordnung, es wird immer etwas aufgebrochen und fügt sich dann doch zum Ganzen. Unter den präsentierten Projekten befinden sich vorwiegend Museen und öffentliche Gebäude, in Frankreich und den USA, sehr stark landschaftsbezogenen Charakter haben das Bürogebäude in Amsterdam und ein Projekt, das den Architekturkünstler mit Österreich verbinden wird, der Weinpavillon in Langenlois.

Als Meisterleistung der Darstellung eines Lebenswerkes muss das Video bezeichnet werden. Der reale Raum wird mit einem Rückblick auf die konzeptuelle Phase durchdrungen, reale Landschaft und Aquarell werden überblendet, als Bild im Bild wird die Geschichte der Entwicklung erzählt. Ebenso perfekt wird der Bestand an Modellen (unter Tageslicht) präsentiert, umgeben von einem Fries aus Aquarellen, jenen Aquarellen, die als eigenes Buch neben dem Katalog zur Ausstellung erscheinen. Für Wien hat sich der Architekt viel Arbeit gemacht, Europa reflektiert Architektur nach seinen Aussagen weit besser als die USA.

JANA WISNIEWSKI

RAUMKUNST, KUNSTRAUM (D.Bogner, G.Bogner) Passagen Verlag

Das Buch bezieht sich auf alle Aspekte des Buchberger Sommers, den vielfältigen Aktivitäten von Dieter und Gertraud Bogner, die sie auf ihrem Schloß im Kamptal gesetzt haben, den Ausstellungen, Symposien und den Raumarbeiten. Kunstgeschichte geschrieben haben sie aber mit den fixen Installationen, mit Kunsträumen die den Werkcharakter erweitern konnten.

Zuerst war da einmal das große Interesse der beiden Kunsthistoriker an konkreter Kunst und der in Österreich entstandenen Künstlergruppe EXAKTE TENDENZEN. Durch das Engagement der Bogners hatte eine Kunstrichtung die nicht sehr „österreichisch" ist einen Rückhalt, denn das weitaus größere Interesse galt expressiven Tendenzen. Zum beliebten Treffpunkt der Kunstwelt wurden die Symposien, denn man konnte an Wochenenden Körper und Seele vom Alltagsstress befreien, in einem wundervollen Ambiente, bei klugen Gesprächen, in angenehmer Gesellschaft. Interessant war vor allem, dass es nicht um ein buntes Allerlei ging, sondern um eine recht klare Linie, die auch durchgehalten wurde. In den 80er Jahren machten zwar auch anderswo Künstler raumbezogene Arbeiten und Installationen, doch diese Arbeiten waren in der Regel nur temporär angelegt. Der erste Raum, der Wände, Decke, Boden zu einer irritierenden Bildgestaltung nutzte, entstand 1983. Dora Maurer war ein Meisterwerk gelungen und die Bogners beschlossen von nun an Raum für Raum das Schloß durch verschiedene Künstler in einen Kunstraum besonderer Art verwandeln zu lassen. John Hilliard installierte eine doppelte Spiegelung einer Fotoarbeit auf Boden und Decke, Peter Weibel hatte in seinem „Österreichzimmer" sozusagen die Spitzelaffäre vorweggenommen, Bernhard Leitner nützte den Innenhof zum Tonraum, Dan Graham installierte im ehemaligen Ziergarten einen gläsernen Pavilion in der Form eines Davidsternes, vom Treppenhaus bis zum Dach – überall Raumkunst! Es ist nun ein Museum spezieller Art entstanden, das nicht nur für Österreich beispielhaft ist. Abgesehen von der Linie, dem Konzept das hier verfolgt wurde, hat sich aber auch Zeit gespiegelt. Dieter Bogner legt in seinem Schlussstatement noch ein Schäuferl nach, indem er zu den Veränderungen der Sehweisen Stellung nimmt. Kunstraum ist eben immer in Bewegung!

Jana Wisniewski

ROBERT ADRIAN X – Kunsthalle Wien (bis 10. Februar 2002)

Robert Adrian X ist im Internet sicher bekannter als im Galerien- und Museumsbetrieb und das liegt an seiner Arbeitsweise. Als Pionier der Telekommunikationsprojekte, war er derjenige, der einen Pool junger Leute um sich scharte, aus jener Künstlergeneration, die heute als „Medienkünstler von Rang" ihre eigenen Wege geht.

Der Kanadier, der schon sehr lange bei uns hier in Wien lebt, Teil dieser Kunstszene geworden ist, lernte eigentlich von seinen Eltern, die auch Künstler waren und begann als Maler (dessen Frühwerk allerdings verloren gegangen ist) und trat mit Objektinstallationen ins Bewusstsein einer breiteren Öffentlichkeit. Auf den ersten Blick liebenswert verspielt, sind seine „Job-Sammlungen" die Flugzeuge und Segelboote aber stets Zeichen für ein sehr ausgeprägtes politisches Bewusstsein. Nicht nur seine Eltern (Künstler) mussten vielerlei „Jobs" tun um überleben zu können, auch er hatte da allerlei Erfahrungen gesammelt, die er in einer Ansammlung von Miniaturen nebeneinander stellte. Die Flugzeuge (allesamt Kriegsspielzeug) wurden durch tapezieren mit Kriegsberichterstattung oder Kriegscomics, den „Kinderstuben" entzogen, und kreisen nun als das was sie wirklich sind und können, als Kriegsdekor an der Wand. War sein gesellschaftspolitisches Engagement in der Objektphase noch „übersetzt" und in einen aktuellen Kunstkontext gut integrierbar, so verließ er durch die Gründung von Initiativen wie „BLIX" den Raum der etablierten Künste und beschäftigte sich mit Überwachungssystemen in der U-Bahn, mit Sound- und Testprojekten und politischen Recherchen. Sein größtes Interesse bestand darin, innerhalb von Kommunikationssystemen und im Medienbereich, als Künstler auszuprobieren, ob mit dem Blick hinter die Kulisse nicht die Mediensysteme transparenter zu gestalten wären. Er ist ein früher Vertreter der „Institutionskritik" und der Darstellung jener Praktiken, die mitunter oft weit mehr als das Kunstwerk selbst, den Kunstkontext prägen. Ob mit Objekten, als Textcollage, als Nachforschung (z.B. den Verbleib, Verkauf, beziehungsweise Raub von Kulturgütern betreffend) begab er sich in ein heute als „Kunstpraxis" ausgewiesenes Feld, das aber vor 20 Jahren noch recht befremdlich wirkte. Ja, sogar wenn es ihn zur Fotografie zog, blieb er konzeptuell ( er fotografierte Glühbirnen und Taschenlampen, sowie deren Spiegelungen – so oder so – er musste immer etwas ausleuchten. In seiner Denkweise nahm er das parallel arbeiten in Fenstern, wie es uns durch den Computer anerzogen wurde, schon durch eine Praxis der „Collage" vorweg. Es ging nicht darum, etwas neues zu kreieren, es ging um Neuordnungen, Gruppierungen, die auch fremdgesteuert, immer noch Erkenntniswert besitzen.

JANA WISNIEWSKI

UGO RONDINONE – Kunsthalle Wien

Paradiesische Irrgärten des Manierismus könnten als Gegenbeispiel herangezogen werden, für das verspiegelte Reiselabyrinth, welches Udo Rondinone für die Wiener Ausstellung geschaffen hat. Statt gestutzter Hecken, markieren verspiegelte Säulenkonstruktionen den Irrgarten, der nach allen Seiten hin den Blick frei gibt. Statt realer Ausblicke verheißen Monitore ein endloses Reiseabenteuer – stets haben wir Schienenstränge vor und hinter uns. In Einblendungen kleiner Abschnitte in den Videos, erscheinen Erinnerungen, vielleicht weit zurück liegende schöne Stunden, oder aber Beobachtungen bei Reisebegleitern. Die Schienen, die nie ankommen, werden von einer Stimme begleitet die nie ankommt – keine Höhepunkte – Sirenengesänge und Verheißungen..............

Udo Rondinone fiel im Kunstkontext durch Filmausschnitte auf, die er als fotografische Bilder anbot. Gesucht hatte er nach Fehlerstellen im Film, die man bei laufender Darbietung nicht bemerkt, die erst als Filmstill den ästhetischen Reiz eines Fehlers im Material preisgeben. Auf irgendeine Technologie lässt sich der Künstler aber nicht festmachen.

Der in der Schweiz geborene, studierte in Wien, wurde von einer der besten Fotogalerien in Paris transportiert, lebt jetzt in New York.

In Wien zeigt er eine Fotoarbeit, bei der er sich mit der Welt der Frau in so ferne auseinandersetzt, indem er Frauen als Model darzustellen versucht, wobei er aber männliche Attribute mitunter nicht kaschiert. Das mag eine Anspielung auf männliches in Frauen und weibliches in Männern mitschwingen lassen. Vordergründig geht es aber um Individualität durch Outfit. In einer weiteren Arbeit ist das Environment auf Sound konzentriert, auf virtuellem Wellenboden kann man schreitend ein Gespräch belauschen, das aufgrund der eigenen Bewegung immer aus einer anderen Ecke zu kommen scheint. Ein Mann und eine Frau versuchen sich zu verstehen, schaffen es aber nicht. Animositäten, Schuldzuweisungen, beziehungsweise als Schuldzuweisung Verstandenes produzieren jenen verbalen Irrsinn, den sich Paare oder Möchtegernpaare oft genug liefern. Als relativ dunkle Bildandeutungen stehen vielleicht unausgesprochene erotische Wünsche.

Zur Ruhe kommen nur die dicken Clowns, die selbstvergessen auf dem Boden liegen, tief genug, um nicht mehr ins Schussfeld der Zielscheibe geraten zu können.

JANA WISNIEWSKI

Roman Scheidl – Pinselschriften

Mit „Pinselschriften", erschienen in der Bibliothek der Provinz, konnte zusammen gefasst werden, was diesen vielseitigen Künstler bewegt. Vorweg muss man allerdings anmerken, dass Roman Scheidl ein weitgereister, mit vielen Kulturen vertrauter Künstler ist – so gesehen, kann die Peripherie (Bibliothek der Provinz) ein Zentrum sein. Mit „weitgereist" ist auch eine innere Reise gemeint, denn die Reisen, beziehungsweise die Kulturen, die Roman Scheidl kennen lernen konnte, schlagen sich in seiner Arbeit nieder. Seit Anbeginn war er immer ein Erzählender, ein „narrativer" Künstler, ob das gerade Mode war im Kunstkontext oder nicht. Grenzen, Begrenzungen, waren bestenfalls eine Herausforderung – insbesondere zu Schriften, zum Schreiben, zu Zeitschriften, hatte er eine unübersehbare Zuneigung, was sich nicht nur in seinen unzähligen, tagebuchartigen geschrieben/gemalten Buchoriginalen niederschlug, sondern auch in Annäherungen an den Faktor „Zeitschrift" durch temporäre Mitarbeit oder Botschaft eines Künstlers.

Eine andere Besonderheit von Roman Scheidl ist die Liebe zum Material. In grauer Vorzeit, als ich noch im „Falterkollektiv" war und Roman auch dorthin wollte, zeigte er mir einmal seine Pinselsammlung – mit leuchtenden Augen. Immer wenn er gerade Geld hatte, kaufte er genussvoll Malmaterial – denn man kann ja nie wissen – wenn man plötzlich kein Geld hat, wäre man dann ja „arbeitslos". Müßig zu erwähnen, dass historische Tuschzeichnungen eine Faszination auf ihn ausübten. Doch, vorerst malte er, als einer der sogenannten „Jungen Wilden", nicht ganz so wild, nicht ganz so locker und packte immer viel zu viel in jedes Bild hinein – der sprudelnde Wissensfluss musste offenbar untergebracht werden. Die ihm adäquate Form der Malerei – Pinselschriften – fand er später, damit konnte er schneller auf die Einfälle reagieren - was zuerst sozusagen übereinander war, entwickelte sich linear und weit besser lesbar.

Bewegung, Tanz, Musik, Theater, also Dinge die in der Zeitschiene liegen, die sich nicht auf einem Blatt, einer Leinwand realisieren, interessierten ihn und er suchte die Zusammenarbeit mit Künstlern aus anderen Sparten.

Mit der Tänzerin Bettina Nisoli, entwickelte er dann jenen Stil von theaterähnlichen Aufführungen, bei denen die Malerei eine tragende Rolle innehatte, eine Vision die ihm schon lange vorschwebte. Die Pinselschriften hatten sich in den Raum verlagert. Inzwischen sind ihm die „Kunstmoden" wieder entgegengekommen, denn eine zeitlang war ja alles „Narrative" total out und auch die „hohe" und die „angewandte" Kunst (sei es als Gegenstand, als politisches Statement, als verbale Reflektion) haben keine Trennwände mehr – so ist nun Buchobjekt, Aufführung, Wandgestaltung, Nutzobjekt, Grafik oder Malerei – mit „Pinselschriften" versehen, die Botschaft eines Künstlers mit weitem Horizont.

Auch Fotografie und Text gehören zu den Ausdrucksformen von Roman Scheidl, insbesondere Texte zur Kunst. Der Grund, warum man dennoch auf die Pinselschriften verweisen möchte ist: auf diesem Gebiet ist er eben geradezu konkurrenzlos (abgesehen von historischen Vorbildern aus Fernost)

Jana Wisniewski

WORLD-INFORMATION EXHIBITION im Wiener Technischen Museum

Public Netbase, das Institut für Neue Kulturtechnologien und sein Leiter Konrad Becker, waren bis jetzt im Museumsquartier beheimatet. Das Profil dieser Institution kann man anhand einer Ausstellungsreihe imaginieren, zuerst ein schräges Event zum Thema Roboter, dann Synworld, das schon recht professionell den aktuellen Stand der Dinge erfasste und nun WORLD-INFORMATION, knallharte Gesellschaftskritik die am richtigen Ort zeigt, was wir durch sich ständig verändernde Infrastrukturen bald als Kultur werden wahrnehmen müssen. Konrad Becker, ein Netzfanatiker der ersten Stunde (wir erinnern daran, dass Künstler zuerst große Hoffnungen ins Netz setzten und sich auch z.B. als Provider betätigten) sieht jetzt den Zugriff von Machtblöcken und die Domestizierung breiter Gesellschaftsschichten.

So sehr die einschlägige Werbung auch das Gegenteil verbreitet, die neuen Technologien sparen nicht nur Zeit sondern auch Arbeitsplätze und kosten vor allem zuerst einmal sehr viel Zeit und Geld. Und, wie schon bei technologischen Revolutionen vergangener Jahrtausende, fallen minder Begabte, alte und arme Bürger aus dem Netz; es sei denn, man setzt wirklich zielorientierte Gegenmaßnahmen. Es ist ja inzwischen ein offenes Geheimnis, dass sogar bei jungen Akademikern die Köpfe rauchen, Verschiedenstes nicht so funktioniert wie angegeben und immer mehr Alte und Junge sich als Einzelkämpfer mit dem Zeug abstrudeln, weil sie in temporären oder ohne Vertragsverhältnisse arbeiten. Gleichzeitig werden die Aktivitäten der Kleinen immer durchsichtiger und jene der Konzerne immer internationaler und undurchsichtiger. Die politischen Vertreter können das, worüber sie zu entscheiden haben, sich mitunter kaum mehr richtig vorstellen und viele Lehrer haben eigentlich Angst vor den Schülern, die sich ihre Informationen spielerisch holen. Es steht eigentlich ein totaler Wertewandel an.

Die Ausstellung macht einen Versuch Pfade durch den Dschungel zu legen. Besucher, die sich dafür Zeit nehmen, können z.B. Kontrollsysteme selbst testen, indem sie Datenspuren hinterlassen, die ihnen am Ende des Parcours als virtueller Doppelgänger vorgesetzt werden. Künstler wie Ingo Günther oder das Critical Art Ensemble präsentieren Arbeiten die höchst schonungslos geographische oder gentechnologische Veränderungen bloßlegen. Es ist heute wohl nicht mehr die Frage, ob etwas mehr Kunst oder Technik, mehr Design oder Wissenschaft ist, mehr Medizin oder Lifestil, die wirkliche Frage ist, ob man sich noch draussieht und sein Leben meistern kann. Es ist nicht falsch, wenn Künstler uns die Augen öffnen wollen, statt modische Brillen zu verkaufen.

Jana Wisniewski

>>>>>>>>>>>weiter zu Beispielen als man noch (oder noch nicht) gefaxt, nicht gemailt hat>>>>>>>>>>>>>>